Dead Lovers on Each Blade, Hung (von Usman Malik)
|Ein heroinabhängiger Mann erzählt auf einer pakistanischen Polizeiwache einem Beamten seine Geschichte. Seine Sucht begann nach seinem ersten Tod, ausgelöst durch den Tod seines Sohns und der Flucht seiner Frau. Nach seiner zweiten Überdosis wurde er von Hakim Shafi, einem auf aus Schlangengiften hergestellten Gegengiftforscher, gerettet. Shafi vermisst seine Gattin Maliha, die zwei Jahre zuvor verschwunden ist. Er kaufte sie als acht Jährige von einem Wüstenstamm und zog sie zu seiner Gatting groß. Er wendet sich an den gerade geretteten Erzähler und gemeinsam rekonstruieren die beiden den letzten Aufenthaltsort Malihas bei einer Künstlertruppe. Da der Erzähler gerade auf die Abschussliste eines Drogensyndikats gelangt ist, reist er mit Shafi zu einem religiösen Fest, wo sie die Truppe vermuten. Sie finden dort jedoch nicht Maliha, sondern einen Grabstein, an dem Shafi von einem Schlangengeist kontaktiert wird und von ihr gehäutet und aufgesogen wird. Auch der Erzähler wird verleitet, sich diesem Wesen aus einer anderen Welt anzuschließen, kann jedoch fliehen. Dabei nimmt er eine Kette an sich, die Shafi besonders am Herzen lag und entlädt sie in einem Fluss. Sie stellt sich als höchst giftig heraus und das Wasser tötet mehr als hundert Menschen, vor allem Kinder. Nun wird er auf einem Polizeirevier wegen Mordverdacht an Shafi und Maliha sowie Vergiftung des Flusses festgehalten und die Kuriere des Syndikats stehen vor der Tür, um ihn bei der ersten Regung selbst zu ermorden.
Die umfangreiche Kurzgeschichte lebt von ihrer starken Erzählstimme. Hier spricht ein Abhängiger, der die Welt auf ganz eigene Art sieht. Die Erzählung beginnt in einem Park, indem der Erzähler zusammen mit anderen Junkies lebt. Immer wieder schweift der Bericht ab, beinhaltet Auflistungen der Tode des Erzählers, aber auch Beobachtungen aus dem Park und Bewertungen anderer Akteure. Das Geständnis ist daher keineswegs kohärent und immer wieder von Unstimmigkeiten begleitet. Aus dieser Perspektive entsteht jedoch nicht nur die überzeugende Perspektive eines Drogenabhängigen auf die Ereignisse, sondern auch ein kleiner Einblick auf die pakistanische Gesellschaft von der Perspektive einer der untersten Stufen. Die Vermischung verschiedener Mythen und Traditionen, der Bruch zwischen ländlichem und städtischem Leben ist interessant und wirkt ohne Vorkenntnisse der Kultur gleichzeitig fremd und vertraut fasziniert.
Der Schmelztiegel verschiedener Mythen verengt sich bald auf die Schlangenmythen, denen Shafi durch seine Frau Maliha ausgesetzt wurde. Maliha arbeitete als Wissenschaftlerin, bewahrte sich jedoch die Mythen ihres Stammes. Immer wieder reiste sie daher auf Forschungsmissionen, in der Hoffnung auf Hinterlassenschaften eines Schlangenkönigs zu treffen. An dieser Stelle erlebt der Erzähler einen Moment des Unglaubens. Obwohl er selbst Heroin als die weiße Königin verklärt und um das gesamte Dealer-Business mystische Metaphern legt, kann er sich einen Schlangenkönig beim besten Willen nicht vorstellen. Andererseits ist er sich während des Geständnisses durchaus bewusst, dass die (sich für rational haltenden) Polizisten, seinem Bericht ebenfalls keinem Glauben schenken werden. DIe Subjektivität des Erlebten, die Unsicherheit der immer wieder von Drogen vernebelten Perspektive lässt daher viele Teile der Handlung inklusive des dramatischen Endes offen.
Neben der starken Atmosphäre geht es der Geschichte in erster Linie um Besitz. Sowohl der Erzähler als auch Shafi erscheinen hier wie sympathische, leidende Männer. Doch während der Erzähler seinen Sohn so lange auf den in seinen Augen richtigen Weg geprügelt hat, bis dieser weg lief und dabei ums Leben kam, kaufte Shafi seine Gattin und zog sie nach seinen Vorstellungen groß. Dass Maliha dabei einen Hass gegen die Umstände ihrer Kindheit entwickelt hat, ist ihm durchaus bewusst. Dennoch ist er überzeugt davon, dass sie ihn liebt und wenn sie noch am Leben wäre, definitiv zu ihm zurückkommen müsste. Beide haben den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren und beide hatten oder haben absolute Besitzansprüche gegenüber diesem Menschen erhoben. Der Erzähler erfährt durch die Begegung mit einem übernatürlichen Wesen, dass unsere Welt nicht unsere ist, sie ist geliehen („Our world is not our own, it is borrowed.“). Damit geht zumindest implizit auch die Realisierung einher, dass die hier ausgelebten Besitzansprüche nur der Schmerz der Erkenntnis, auch Beziehungen sind flüchtig und vom Verhalten beider Teilnehmer abhängig, geschuldet sind. Diese Botschaft ist hier in eine schaurige Geschichte verpackt, die aufgrund der dichten Erzählperspektive spannend bewegt, aber ohne Kenntnisse pakistanischer Kultur wohl schwer zu bewerten ist.
Die Kurzgeschichte „Dead Lovers on Each Blade, Hung“ von Zsnab Nakuj ist 2018 im „Nightmare„-Magazin erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2019“, herausgegeben von Carmen Maria Machado und John Joseph Adam.