To Be Taught, If Fortunate (von Becky Chambers)
|In der Zukunft steht die Menschheit aufgrund von Klimakatastrophen unter Druck. Dennoch konnte sie dank enormer Crowdfunding-Anstrengungen eine bemannte Mission in andere Sternensystem entsenden. Ariadne verfasst hier einen Bericht über den Verlauf der Mission. Gemeinsam mit drei weiteren Wissenschaftlerin soll die Ingenieurin vier Planeten anfliegen, mehrere Jahre lang erforschen und anschließend zur Erde zurückkehren. Für die Reisezeit wird die Besatzung in den Kälteschlaf versetzt, um nicht zu stark zu altern. Es ist eine Mission mit Rückkehr, aber in eine Welt, in der kein Mensch, den man kannte mehr am Leben ist. Das Team entdeckt und erforscht Welten mit hoher und niedriger Scherwkraft, karger Flora und explodierender Fauna, endlose Landmassen und undurchdringliche, stürmische Ozeanwelten. Dabei müssen sie mit kleineren Fehlern, größeren Problemen und letztlich der Frage umgehen, für wen sie eigentlich ihre Forschung bedrohen und wie weit sie für Erkenntnisse gehen dürfen.
Das Kernstück der Novelle ist die Begeisterung für jeden neuen Planeten. Die vier Welten sind völlig unterschiedlich und fühlen sich auch so an. Chambers entwickelt nicht nur unterschiedliche Landschaften und dementsprechend verschiedene Tier- und Pflanzenwelten, sondern stellt ihre Protagonisten auf jeder Welt vor eine andere Herausforderung. Und auf jeder Welt wird deutlich, dass die Forscher einen Einfluss auf das örtliche Ökosystem hinterlassen. Das ist nie katastrophal, aber trotz aller Vorkehrungen geraten die vier immer wieder in Situationen, in denen sie außerirdisches Leben vernichten müssen, um sich selbst zu retten. Die Raumfahrt ist hier faszinierend und man staunt über jede neu erkundete Ecke. Und gleichzeitig ist sie gefährlich und hinter jedem neuen Schritt wartet eine neue Entdeckung und potentiell ein neues Problem. Diese Balance ist spannend und extrem stimmungsvoll.
Die vier Wissenschaftler bilden ein vertrautes Team. Chambers gelingt es wie in ihren Wayfarer-Romanen sehr gut einschlägige Protagonisten auszuarbeiten, die dem Leser vertraut und sympathisch erscheinen und gleichzeitig grundverschieden voneinander sind. Die vier Wissenschaftler sind nicht auf eine Mission ohne Rückkehr aufgebrochen, werden aber eine völlig andere Erde bei ihrer Rückkehr wiederfinden. Daher sind sie extrem begeistert von der Mission, allerdings ist jeder der vier von einem anderen Aspekt der Mission begeistert. Der Leser erlebt die Forschungsmission zwar ausschließlich aus der Perspektive Ariadnes, durch ihre Gespräche mit ihren Kollegen kann man jedoch die Begeisterung für alle Forschungsaspekte nachempfinden. Die vier gehen zudem mit Stress und Problemen unterschiedlich um. Während es für einen Biologen eine Katastrophe ist, wenn eines der örtlichen Tiere getötet werden muss, haben andere große Problem damit, wenn Tiere sie an dem Verlassen des Raumschiffs hindern. Ariadnes Bericht ist knapp gehalten, aber durchaus emotional. Man erkennt an den Beschreibungen der vier Missionen, in welchen Momenten die Crewmitglieder große psychische Probleme mit der Enge und den Herausforderungen hat. Chambers erweckt die Charaktere damit auf dem engen Raum der Novelle vielschichtig, einfühlsam und gleichzeitig pointiert zum Leben.
Im Kern geht es der Novelle zudem um die Frage, wofür Wissenschaft eigentlich dient. Ist es gerechtfertigt, Ökosysteme für Erkenntnisgewinne durcheinander zu bringen? Zählt die Neugierde Einzelner als Begründung für Forschung? Oder ist es doch die Gemeinschaft, die die Mission finanziert hat, die die Erkenntnisse rezipieren muss, die die Entscheidung über die Richtung der Wissenschaft trägt? Diese Fragen kommen implizit in jeder Mission auf. Sie werden expliziter als der Kontakt mit der Erde abbricht und die Vermutung im Raum steht, dass es bei der Rückkehr keine Menschheit mehr geben wird, die auf das Team wartet. Nun könnte man aus Neugierde die Mission fortsetzen und so lange die Ressourcen reichen weitere Planeten erforschen. Aber was wäre im Sinne der menschlichen Gemeinschaft und was wäre im Sinne der Wissenschaft? Dieser schmale Grad zwischen Wissenschaftsfreiheit und der Verantwortung von Wissenschaft in der Gesellschaft wird gleichzeitig abstrakt an der Frage der Weltraumerforschung und sehr konkret durch die Wünsche, Ängste und Hoffnungen der vier überzeugenden Crewmitglieder thematisiert. Das hinterlässt neben den grandiosen Forschungsbildern ein ausgesprochen offenes Ende und viel Material um weiterzudenken und von fernen Planeten zu träumen.