Exit-Szenario (von Martha Wells)
|(Orig. Titel: „Rogue Protocol“)
Killerbot ist auf der Reise. Er versucht in einen Staat zu gelangen, in dem Cyborgs eigene Rechte haben. Seitdem er sein Chefmodul gehackt hat, ist Killerbot eigentlich ein illegales Wesen. Auf seiner Reise muss er sich daher mit Schiffscomputern arrangieren und hängt von deren Verschwiegenheit ab. Gleichzeitig plant er die ersten Schritte, um sich an seinem alten Arbeitgeber GrayCris dafür zu rächen, dass sie durch ihn den Tod vieler Menschen in Kauf genommen haben. Killerbots Reise bringt die einstige Sicherheitseinheit auf eine verlassene Terraformingstation, die nun wieder in Betrieb genommen werden muss. Da in der Einrichtung niemand außer dem menschlichen Team und ihrer Bodyguards lebt, gibt er sich als Sicherheitsbackup für die Bodyguards aus. Dabei wird nutzt Killerbot die Naivität des Bots Miki, der in allen Wesen in erster Linie Freunde sieht. Auf Dauer wirft dies Killerbots paranoides Weltbild gehörig durcheinander. Zumal er und seine Begleiter bald wieder in einen Hinterhalt der GrayCris-Firma geraden und auch die Bodyguards scheinen andere Pläne als nur die Sicherheit der Terraformer zu verfolgen.
Auch die dritte Novelle aus dem „Killerbot“-Universum wird von ihrem Hauptdarsteller getragen. Killerbot wird diesmal in der Form von Miki ein Spiegel vorgehalten. Miki ist schrecklich naiv und lässt sich an vielen Stellen übertölpeln. Aber Miki wird von seiner Besitzerin durchaus geliebt. Und trotz seiner Naivität hat Miki ein Wertesystem entwickelt, das ihn am Ende zu einer Opfertat bringt. Killerbot ist dadurch hin- und hergerissen. Er findet Mikis Vertrauensseligkeit abstoßend, gleichzeitig ist er aber neidisch auf die Zuneigung, die der Bot erhält. Und am Ende muss er unter tragischen Umständen feststellen, dass der Bot in ihm tatsächlich einen Freund gesehen hat, für den er über seine Programmierung hinausgehen würde. Diese Beziehung zwischen erfahrener, zynischer und leich paranoider Sicherheitseinheit und dem unerfahrenen, naiven und herzensguten Support-Bot ist bewegend und mitreißend. Killerbot wächst dabei weiterhin mit seinen Entscheidungen, zeigt immer mal wieder Gewissensbisse und pendelt sich in einem unterhaltsamen und gleichzeitig sehr authentischen Mix aus Sanftmütigkeit, Zynismus und Entschlossenheit ein.
„Exit-Szenario“ gibt zudem weitere Erkenntnisse über Killerbots Gegenspieler. GrayCris ist eine skrupellose Firma, die für Profit über Leichen geht. Killerbot arbeite einst für die Firma. Im vorherigen Teil fand er heraus, dass sein alter Arbeitgeber GrayCris mit für einen Anschlag verantwortlich war, in dem viele Menschen und auch Killerbot selbst beinahe umgekommen waren. Im ersten Teil der Reihe stand Killerbot einem Attentäterteam der Firma gegenüber und konnte nur mit Mühe seine Klienten retten. In „Exit-Szenario“ tut Killerbot so als wäre er das Backup für die angeheuerten Boyguards. Das ist gelogen, was zu einigen witzigen Situationen führt. Die Bodyguards sind tatsächlich aber nur das Backup für ein automatisches Verteidigungssystem, das GrayCris auf der Station hinterlassen hat. Sie sollen Daten zerstören und anschließend zusammen mit dem Team um Miki von Kampfeinheiten getötet werden. Da diese Roboter Killerbot überlegen sind, besteht die Novelle zu einem großen Teil aus waghalsigen, strategisch kniffligen Situationen, in denen Killerbot verzweifelt versucht, kleine Vorteile gegenüber seinen stärkeren Gegner herauszuschlagen. Das ist nicht nur spannend und unterhaltsam, sondern führt dazu, dass Killerbot am Ende erstmals Beweise gegen seinen alten Arbeitgeber in der Hand hält. „Exit-Szenario“ ist daher nicht nur mitreißend, kurzweilig und in der Charakterisierung Killerbots berührend, sondern gibt der Handlung der Serie die Tiefe, die einen auf die Fortsetzung harren lässt.
(Während ich normalerweise versuche Originalausgaben zu rezensieren, basiert dieser Kommentar auf der deutschen Ausgabe von „Rogue Protocol“, die unter dem Titel „Exit-Szenario“ in dem Sammelband „Tagebuch eines Killerbots“ im Heyne-Verlag erschienen ist. Ich erwähne dies an dieser Stelle, da der Sammelband die ersten vier Novellen der „Murderbots“-Serie für derzeit 12,99€ (Ebook-Version) enthält, während mit Ausnahme der ersten Novelle alle weiteren Novellen in der englischen Originalausgabe einzeln jeweils zwischen 8 und 11€ kosten. Die Ersparnis beim Erwerb des deutschen Sammelbands ist also ausgesprochen hoch.)