If at first you don’t succeed, try, try again (von Zen Cho)
|Byam ist ein Imgui, eine riesige Schlange, die den Weg erkundet, um endlich zu einem Drachen aufzusteigen. Die Lehre erfolgt in der Einsamkeit des Selbststudiums und dauert mindestens tausend Jahre. Während der Verwandlung bzw. dem Aufstieg zu einem Drachen darf Byam von niemandem als Imugi erkannt werden. Oder wenn es gesehen wird, muss es als Drachen identifiziert werden. Byam scheitert drei Mal daran, zum Drachen aufzusteigen. Verbittert, entscheidet es sich, Leslie Han, die ihn als Imugi identifiziert hat zu töten. Byam hat mittlerweile gelernt, sich in die Form einer menschlichen Frau zu verwandeln. Leslie hat durch die Sichtung des Imugi ihre Depression überwunden und arbeitet als Astrophysikerin an einer Universität. Anstatt sie zu fressen, ist Byam von ihrer Forschung fasziniert. Die beiden beginnen einen regen Austausch, der in einer romantischen Beziehung mündet. Die beiden verleben den Rest von Leslies Leben miteinander, wobei Leslie mit der Zeit verschiedene Puzzlestücke zusammensetzt und in Byam den Imugi, den sie einst gesichtet hat, erkennt. Leslie ermutigt Byam sein jahrtausendealtes Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Byam trauert über Leslies bald darauf folgenden Tod und schafft in diesem Moment einen weiteren Aufstieg zu einem Drachen, bei dem er von Leslies Nichte als Drachen erkannt wird und sein Ziel endlich erreicht.
Chos Novlette erzählt einen Zeitraum von 3.000 Jahren in einer epischen Sprache. Byam hat ein Ziel im Leben, das Schwierig zu erreichen ist und eines ausgesprochen langen Vorbereitungszeitraum bedarf. Die Ehrfurcht, die er selbst vor seinem Weg hat, wird durch die Erzählung beeindruckend herausgearbeitet. Der Weg zum Drachen verlangt jahrhundertelanges Selbststudium. Dies geschieht ohne Anleitung, sodass Byam, um weiteres Wissen zu erlangen, immer wieder weise Menschen – über viele Jahrhunderte sind dies in der Regel Mönche – erpressen muss, um an Interpretationen zu gelangen. Die Einsamkeit und der Ehrgeiz des angehenden Drachen sind genau so spürbar wie die bittere Enttäuschung über das eigene Versagen. Aber das unbedingte Verlangen, zum Drachen aufzusteigen, macht den langwierigen zweiten und sogar den dritten Versuch für Byam eine Selbstverständlichkeit.
Byam ist nach dem dritten Versuch jedoch davon überzeugt, sein Ziel nie erreichen zu können. Auf lakonische Art führt Cho an diesem Punkt Leslie Han in die Geschichte ein. Die junge Frau hat eine Reihe von Schicksalsschlägen hinter sich, doch der Anblick des Imugi bringt sie wieder auf die Spur. Und so begegnen sich Byam und Leslie direkt zu einem Moment, wo sie bereits an der Universität lehrt und forscht. Diese Begegnung ist wunderbar inszeniert. Auch Leslie scheitert wie Byam bei ihren Versuchen, ihr Lebensziel zu erreichen. Und auch Leslie erhält in ihrem universitären Umfeld kaum Anerkennung und ist auf ihre Art einsam. Byam entdeckt bei dem Versuch, Leslie zu fressen, dass sein Wissensdurst, den er sich in den Jahrtausenden des Lernens angeeignet hat, größer ist als sein Drang nach Rache. Diese Erkenntnis ist ausgesprochen schön, der Weg wird für Byam wichtiger als das Ziel.
Aus dem gemeinsamen Lernen entsteht eine berührende und faszinierende Beziehung zwischen Leslie und Byam in einem Frauenkörper. Zunächst gibt sich Byam als eine Art Fee aus. Doch im Laufe der Beziehung kommt Leslie Byams Herkunft immer mehr auf die Spur. Das ist angesichts der Unterschiede zwischen den beiden in vielen Momenten witzig und unterhaltsam, in der Gesamtheit aber vor allem bewegend. Denn Cho gelingt es, die Beziehung zwischen dem Menschen Leslie und der Schlange Byam authentisch und emotional darzustellen, ohne dabei Byams andersartige Denkmuster abzulegen. Die Art und Weise wie die beiden Liebenden Unterschiede überbrücken und in der gegenseitigen Begegnung erstmals in Ihrem Leben Anerkennung erfahren ist nicht nur wunderschön und inspirierend zu lesen, sondern vermittelt auch die zentrale Erfahrung, die Leslie und Byam in ihrer Beziehung machen: Durch Anerkennung und Unterstützung lassen sich Rückschläge verkraften und die Kraft für weitere Anläufe finden.
„If at first you don‘t succeed, try, try again“ ist somit auf mehreren Ebenen eine ausgezeichnete Geschichte. Sie zeigt die Bedeutung von Zielstrebigkeit, den Schmerz von Rückschlägen und vor allem die Bedeutung von Anerkennung und Liebe für persönliches Glück und Resilienz. Das ist spannend, schön geschrieben und vermittelt in seiner epischen Wärme eine nachwirkendes melancholisch-nachdenkliches Glücksgefühl.
Die Erzählung „If at first you don’t succeed, try, try again“ von Zen Cho ist 2018 auf dem Barnes & Noble Science Fiction and Fantasy Blog erschienen. Sie ist für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Novelette“ nominiert.