The Tale of the Three Beautiful Raptor Sisters, and the Prince Who Was Made of Meat (von Brooke Bolander)
|Vor langer Zeit lebten drei Raptoren-Schwestern glücklich in einem Wald. Die Harmonie wird durch einen durchreisenden Prinzen gestört. Besagter Prinz ist so blöd, dass er unfähig ist, Angst zu empfinden. Obwohl die Raptoren sein Pferd töten und aufessen, flieht er nicht. Die Raptoren fürchten einen Plan der Menschen, sie an der weiteren Jagd im Wald zu hindern. Daher kehrt eine der Schwestern, Ceecee, mit dem Prinzen zu seinem Schloss zurück. Dort gibt der Prinz vor, die Raptorin domestiziert zu haben. Dabei lauert die Raptorin nur auf eine Chance darauf, herauszufinden, was die Menschen vorhaben. Verstanden wird sie nur von der Prinzessin, die obendrein noch eine Hexe ist. Der sonst so antriebs- und initiativlose Prinz entscheidet sich jedoch, die Raptorin zu betäuben und ihrer Krallen und Zähne zu berauben. Von da an ist Ceecee auf der Burg gefangen. Doch ihre beiden Schwestern kommen zu ihrer Hilfe und können mithilfe der Prinzessin, der sie ein Leben im Wald als Hexe versprechen, entkommen. Der Prinz stellt die drei, weigert sich weiterhin zu fliehen und wird im Anschluss von seiner Gattin und den Raptoren gejagt und als Raptorenfutter genutzt.
Der Titel der Kurzgeschichte gibt bereits Einblicke in das düstere Ende der Geschichte: Der Prinz wird von seinem „Haustier“ sowie seiner verkannten Gattin in Fleisch verwandelt. Die Handlung selbst ist im Stil eines Märchens verfasst. Der Ton ist ausschweifend, aber auch locker und leicht. Selbst dramatische Szenen wie die Amputation Ceecees oder eben die Ermordung des Prinzen werden beiläufig und in heiterer Stimme erzählt. Das Märchen lebt von der Perspektive der Raptoren. Sie haben einen skeptischen und vor allem verständnislosen Blick auf die Aktivitäten der Menschen. Der Leser erlebt dadurch ein klassisches Märchenszenario aus anderer Perspektive. Man kann sich gut vorstellen, dass in einer tatsächlichen Welt mit Raptoren, der naive, dumme Prinz der Held der Geschichte wäre.
Das ist er hier aber nicht. Er und sein Hofstaat sind nicht nur dämlich, sie verkennen alle anderen Kräfte um sie herum. Das bedeutet nicht nur, dass sie die Raptoren massiv unterschätzen, sie sind auch nicht in der Lage, Frauen Intelligenz zuzugestehen. Der Prinz wiederum leidet unter dem Vorwurf seiner Frau, er habe in seinem Leben noch keine Initiative gezeigt. Seine Idee, Ceecee zu domestizieren, schlägt jedoch fehl. Sein Leben verliert er aber erst, als er von seinem Besitzanspruch nicht loslassen kann und sich den Raptoren in den Fluchtweg stellt. Die Kurzgeschichte thematisiert dadurch die Haustierhaltung. Hier wird der Versuch gezeigt, ein in freier Wildbahn lebendes, mächtiges und sogar intelligentes Tier zu zähmen. Da es als Märchen in der Vergangenheit angesiedelt ist, ist es eine Parallele zu allen Haustierarten. Schließlich mussten diese erst zu solchen gezüchtet wurden und ihrer Instinkte und Lebensräume beraubt wurden.
Nur Frauen werden in „The Tale of Three Beautiful Raptor Sisters“ als intelligent und lebensklug dargestellt. Auch hier kann man sich vorstellen, wie eine traditionelle Herangehensweise die Prinzessin-Hexe in einem schlechten Licht darstellen lässt: Erst treibt sie ihren Mann an, eine Entscheidung zu treffen, dann widerspricht sie ihm und hilft nicht nur dem Raptor zur Flucht, sondern tötet ihren Gatten auch noch. Brutaler geht es kaum. Bolander gelingt es jedoch die faule Bosheit des Prinzen gut herauszuarbeiten. Natürlich plant er selbst keine bösen Taten. Doch indem er ausschließlich in seinem eigenen Interesse handelt, davon ausgeht, dass die ganze Welt existiert, um sein Leben angenehmer zu machen, wird er zu einem zutiefst unsympathischen Charakter. Die Prinzessin und die Raptoren wiederum agieren im Einklang mit der Natur und versuchen diese nicht für die eigenen Zwecke zu verändern. Dadurch geraten eine Reihe von Märchenprinzen in ein etwas schlechtes Licht und eine große Anzahl an Märchenschurken in ein besseres. Das ist ein netter und unterhaltsamer Gedanke.
Die Kurzgeschichte lebt daher von diesen beiden emanzipatorischen Gedanken. Sie wird von dem konsequenten, leichten Märchenstil getragen. Darüber hinaus bleiben die Protagonisten allerdings auch märchenhaft eindimensional. Wen das nicht stört, der findet in „The Tale of the Three Beautiful Raptor Sisters, and the Prince Who Was Made of Meat“ eine Reihe von Ideen, wie man Märchen und Sagen anders lesen könnte.
Die Kurzgeschichte „The Tale of the Three Beautiful Raptor Sisters, and the Prince Who Was Made of Meat“ von Brooke Bolander ist 2018 im „Uncanny Magazine“ erschienen. Sie ist für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Short Story“ nominiert.