Loneliness is in your blood (von Cadwell Turnbull)
|Die Protagonistin dieser Kurzgeschichte hat den Weg zum ewigen Leben gefunden. Dadurch wird sie jedoch ihrer Menschlichkeit entrückt und kann keine Bindung mehr zu Menschen herstellen, benötigt zudem regelmäßig menschliches Blut. Sie kann mit diesem Arrangement leben, schließlich lebt sie ewig und kann dank ihrer Schönheit regelmäßig Menschen als Liebhaberin aufsuchen. Doch im Laufe der Jahrhunderte altert sie, Menschen fühlen sich nun von ihr abgestoßen. Ihr bleibt nur noch der unstillbare Durst, während sich die Welt um sie herum verändert. Ihre Einsamkeit wird immer größer, sie wird unvorsichtig und durch einen Unfall zeugt sie ein Kind. Selbst zu diesem Kind kann sie keine Bindung aufbauen. Als es über Einsamkeit klagt weiht die Protagonistin das Kind in das Geheimnis des ewigen Leben ein, schreibt ihre Sünden am Meer in den Strand und lässt sich anschließend von der Strömung forttragen.
„Loneliness is in your blood“ ist eine interessante Erzählung aus der Perspektive eines Jägers. Die Protagonistin geht rücksichtslos vor, nimmt Blut wo immer sie es bekommen kann. In der Regel lässt sie ihre Opfer dabei am Leben, immer gelingt ihr das jedoch nicht. Je einsamer sie wird, desto stärker wird ihr Durst und desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Fehler begeht und ihre Beute umbringt. Die Kurzgeschichte lebt von der bekannten Erkenntnis, das ewiges Leben allein nicht glücklich macht (und nicht glücklich machen kann). Die Welt verändert sich, die Protagonistin jedoch nicht. Ihre Liebhaber wenden sich ab, sie selbst hat keinen Erfolg mehr und das Stillen ihres Durstes mit Blut wird immer schwieriger. Die Ewigkeit wird zum Fluch und letztlich bleibt nichts erstrebenswertes mehr übrig. Indem die Protagonistin am Ende jeden Willen verliert, ihr ewiges Leben zu nutzen, stellt sie die Frage was am Leben eigentlich erstrebenswert in den Mittelpunkt und zeigt auf, dass langes Leben alleine bei weitem nicht alles ist.
Andererseits gibt die Protagonistin ihr Wissen an die nächste Generation weiter. Auch hier bleibt sie allein: Ihr Nachwuchs ist zu menschlich, kann sich mit der Mutter nicht identifizieren. Die Protagonistin leidet zu einem gewissen Maß darunter, dass sie ihrer Tochter keine Nähe schenken kann – selbst wenn sie dies in abgeklärten Worten ausdrückt. Das dies alles im Selbstmord gipfelt, macht die Aussage der Kurzgeschichte schwierig. Interessant ist, dass die Protagonistin vor ihrem Tod ihre Sünden in den Sand schreibt. Hier drückt sich die Sehnsucht danach aus, selbst vor dem Lebensende noch einmal mit der Außenwelt zu kommunizieren – und selbst wenn es sich dabei nur um Strandspaziergänger handelt, die am nächsten Morgen einzelne Wörter sehen werden. Am Ende siegt der Drang nach Gemeinschaft und Lebenssinn über den Wunsch Weiterzuleben bzw. dem Durst nach Blut.
„Loneliness is in your blood“ ist damit eine irgendwo berührende Reflexion über die Kosten der Unsterblichkeit für vampirähnliche Wesen. Doch die (sehr kurze) Kurzgeschichte verweilt hauptsächlich auf der emotionalen Ebene, obwohl mit der Weitergabe des Wissens an die kommende Generation sowie der Frage nach der Einsamkeit und letztlich dem Überdruss des ewigen Leben interessante Elemente für eine stärker substanzielle Beschäftigung mit dem Thema des Sinn des Lebens vorhanden gewesen wären.
Die Kurzgeschichte „Loneliness is in your blood“ von Cadwell Turnbull ist 2017 im „Nightmare Magazine“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2018“, herausgegeben von N.K. Jemisin und John Joseph Adam.