Rivers Run Free (von Charles Payseur)
|In dieser Kurzgeschichte können sich Flüsse in humanoide Personen verwandeln, die ihr Wasser in einer Hülle festhalten und transportieren können. Die Kurzgeschichte folgt einer Gruppe Flüsse, die vor dem Imperium der Luteaner fliehen. Die Luteaner foltern Flüsse, um daraus Energie zu gewinnen. Die Gruppe muss sich blutrünstigen (oder wasserrünstigen?) Verfolgern erwehren. Ihr Ziel ist es, das Meer zu erreichen, um das Wasser dort um Hilfe zu bitten und ihre Leidensgenossen zu befreien. Auf dem Weg finden sie in einer Stadt Unterschlupf, die dem Imperium Widerstand leistet. Doch kurz vor der Abfahrt spüren die Flüsse, dass sich auch diese Stadt durch die Folter eines Flusses am Leben erhält. Voller Wut zerstören sie die Stadt. Bei der Stadt kommt die Ich-Erzählerin ums Leben und geht in ihren Begleitern auf.
Die Kurzgeschichte lebt von ihrem epischen, teilweise sehr verzweifelten Ton. Hier ist eine Gruppe auf der Reise, die ein hoffnungsfrohes Ziel verfolgt, aber eigentlich kaum Hoffnung hat, dass alle die Reise überleben werden. Das Imperium ist mächtig, die Zahl der Feinde zahlreich und die Existenz des Meeres nicht einmal gesichert. Dies sorgt für dramatische Stimmung.
Gleichzeitig ist der Einfall personifizierter Flüsse sehr gelungen. Payseur gelingt es auf überraschend engem Raum, diese Vorstellung überzeugend auszuformulieren. Leider macht er daraus relativ wenig. Die Physiologie aber auch die Denkweise dieser Flüsse wären ausgesprochen spannend. Doch leider bleibt angesichts der interessanten weil ungewöhnlichen Kämpfe viel zu wenig Platz, um diese Aspekte zu beleuchten.
Letztlich bleibt dadurch nämlich vor allem der politische Gedanke der Kurzgeschichte zurück. Fast alle großen menschlichen Ballungsräume leben von einem oder mehreren Flüssen. Gleichzeitig gibt es keine naturbelassenen Flüsse mehr in diesen Räumen. Alles wird dem Menschen angepasst, begradigt und bewirtschaftet. Die Kurzgeschichte zeigt auch am Beispiel des verdorrten und geradezu verlassenen Städtchens, dass sich von gerade mal einem Fluss ernährt auf, wie ein Leben ohne große Flüsse aussieht. Damit lädt die Geschichte dazu ein, darüber nachzudenken, ob die Bedeutung von Flüssen angesichts immer größer werdender Umweltverschmutzung ausreichend Rechnung getragen wird. Angesichts der starken Atmosphäre ist dieser Gedanke in „Rivers Run Free“ unterhaltsam umgesetzt. Mit stärkeren Charakteren würde die Geschichte einen bleibenderen Eindruck hinterlassen.
Die Kurzgeschichte „Rivers Run Free“ von Charles Payseur ist 2017 im „Beneath Ceaseless Skies„-Magazin erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2018“, herausgegeben von N.K. Jemisin und John Joseph Adam.