If Memory Serves (Star Trek: Discovery, Episode 2×08)

Burnham und Spock erreichen Talos IV. Hier erhält Spock Hilfe dabei angesichts der temporalen Verwirrung, sein Bewusstsein wieder zu ordnen. Die Talosianer verlangen dafür jedoch einen hohen Preis: Sie möchten an Burnhams Schuldgefühlen gegenüber Spock teilhaben. Die Discovery wird derweil beordert, die Auswirkungen der temporalen Anomalie über Kaminar genauer zu untersuchen. Dahinter steckt der Wunsch der Sektion 31, Captain Pike und die Besatzung der Discovery davon abzuhalten, Spock und Burnham beizustehen.

Der Nostalgiefaktor der Episode ist sehr gelungen. Die Einführung bietet Rückblenden auf die ursprüngliche Pilotfolge der Originalserie, in der Captain Pike erstmals auf Talos IV und die Talosianer traf. Auf diese Folge wird mehrfach angespielt: Sowohl Spock als auch Pike haben auf Talos IV einschlägige Erfahrungen gemacht, die sich nun emotional wiederholen. Der Start mit den Bildern aus den 1960ern ist etwas überraschend und dennoch sehr stark: Denn die Bilder fügen sich sehr gut in die modernisierte Optik „Star Trek: Discoverys“ ein und schaffen dadurch einmal mehr ein hohes Maß an Kontinuität, worauf in der zweiten Staffel der Serie sehr geachtet wird.

Mithilfe der Talosianer wird endlich Spocks Geheimnis enthüllt. Spock ist mit dem Roten Engel in Kontakt getreten und hat dabei erlebt, wie die Galaxie durch Wesen aus der Zukunft vernichtet wird. Diese Erinnerungen werden in eindrucksvollen Bildern dargestellt. Der Rote Engel scheint nun also eher eine Warnung vor einer Gefahr aus der Zukunft zu sein. Interessanterweise scheinen die Angreifer der modifizierten Probe aus der vorherigen Folge zu ähneln. Gleichzeitig erfährt der Zuschauer, dass Spock keineswegs Morde begangen hat. Stattdessen begab er sich unter psychiatrische Betreuung, um die Visionen zu verarbeiten. Als er erfuhr, dass die Visionen der Realität entsprechen, wollte er wieder ins aktive Leben zurückkehren, wurde aber von Sektion 31 daran gehindert. Dies Zwang ihn zur Flucht. Hier ist es etwas ärgerlich, dass Spock in dieser und der vorherigen Folge mental blockiert ist: Die Geschichte erklärt nämlich nicht, wie Spocks Bewusstsein, zunächst noch seinen logischen Fokus behalten, die Visionen verarbeiten sowie fliehen konnte, dann aber auf einmal zusammenbricht. Das erscheint etwas merkwürdig. Alles andere treibt in eindrucksvollen und spannenden Bildern die Handlung voran und sorgt für ausgezeichnete Unterhaltung.

Dank dem Voyeurismus der Talosianer erfahren wir nun auch endlich, was Spock und Burnham auseinandergebracht hat. Als die Logikfanatiker auf Vulkan Spocks Familie wegen Burnhams Anwesenheit angriffen, floh Burnham. Ihr Hauptziel war es, Spock zu schützen. Da Spock sie nicht gehen lassen wollte, stieß sie ihn verbal mit argen Beschimpfungen fort. Spock war darüber arg verletzt und verleugnet seitdem seine menschliche Seite. Diese Handlungsstrang ist ausgesprochen schwach. Auf der einen Seite sind die Szenen mit den kindlichen Darstellern alles andere als überzeugend, sie erscheinen geradezu nervig. Außerdem ist die Logik hinter Burnhams Handeln zwar auf der einen Seite ausreichend kindlich, auf der anderen Seite aber auch genau das: ausgesprochen kindlich. Es wirkt absurd, dass Spock und Burnham danach noch mehrere Jahre im selben Haushalt lebten, ohne sich jemals auszusprechen. Alles in allem ist dies als Erklärung für Spocks Vernachlässigung seiner menschlichen Seite extrem schwach und geradezu ärgerlich.

Glücklicherweise nimmt Burnhams Vergangenheit nur einen sehr kleinen Teil der Episode ein. Stattdessen präsentiert die Episode drei sehr gelungen Nebenhandlungen auf der Discovery. Captain Pike wird von seiner alten Liebe auf Talos IV, Vina, auf die Spur Pikes und Burnhams gebracht. Dadurch kann er ihnen in einer entscheidenden Situation helfen. Die Emotionen, die die Begegnung mit Vina bei Pike auslösen, sind sehr überzeugend. Pikes Charakter wird in dieser Staffel ausgesprochen gut entwickelt. Andererseits wird Sektion 31 erst durch Vinas Eingreifen auf Spocks und Burnhams Spur gebracht. Denn auf der Discovery gibt es eine/n Verräter/in. Durch gezielte Manipulation wird sofort Tyler als Verdächtiger ausgemacht und bestraft. Tatsächlich handelt es sich jedoch um Airiam, die Spock und Burnham an die Sektion 31 verrät. Sie wurde in der vorherigen Folge von der Probe aus der Zukunft manipuliert. Hier hätte man vielleicht mehr Spannung aufgebaut, wäre der Zuschauer im Unklaren über die wahre Täterin geblieben. Auch hätte man sich mehr über das Auftauchen der Sektion 31 Schiffe gewundert. Tyler muss in dieser Episode auch an anderer Front einstecken: Der wiederbelebte Doktor Culber greift in in der Messe tätlich an. Bisher waren die Szenen mit Culber in der Staffel nicht besonders überzeugend. Das ändert sich in dieser Episode: Stamets versucht zu stark, die alte Beziehung mit Culber wieder aufleben zu lassen. Dabei setzt er den Doktor zu sehr unter Druck. Dieser erinnert sich zwar an sein altes Leben, kann dies aber in seinem neuen Körper nicht fühlen und leidet sehr darunter. Die daraus resultierenden Konflikte und Verletzungen bis hin zur schmerzhaften Aussprache mit Stamets sind sehr gelungen. Genauso überzeugend ist Sarus Reaktion auf den Kampf zwischen Culber und Tyler (der beim Essen vom Rest der Besatzung scheinbar gemieden wird): Saru glaubt, hier muss Druck abgebaut werden und greift als Vorgesetzter nicht ein. Das bringt ihm zwar eine Rüge von Seiten Pikes ein, verdeutlicht aber wie Sarus Charakter sich durch die Abwesenheit von Furcht verändert. All diese Ereignisse auf der Discovery sind authentisch inszeniert, spannend und bringen dem Zuschauer die Charaktere etwas näher. Diese Entwicklung fehlte in der ersten Staffel und ist neben der überzeugenderen Erzählungen eine der größten Stärken der zweiten Staffel.

„If Memory Serves“ bringt viele spannende Enthüllungen, noch mehr Intrigen seitens der Sektion 31 und noch mehr Charakterentwicklung. Die Episode setzt genau die richtigen Schwerpunkte, betont die überzeugenden Aspekte der Handlung, spielt die schwächelnde Erklärung Burnhams Kindheit zurecht etwas herunter und schafft das Kunststück eine dichte Geschichte innerhalb der Haupthandlung zu erzählen, also Handlungsstränge zu beenden, und gleichzeitig genau so viele neue und interessante Aspekte für die nächsten Episoden zu schaffen. Damit trägt „If Memory Serves“ dazu bei, die ohnehin hohe Qualität der zweiten Staffel konsequent zu verbessern.

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