Caspar D. Luckinbill, What Are You Going to Do? (von Nick Wolven)

Caspar D. Luckinbill wird ein Medienterrorismus-Opfer. Die Terroristen haben alle seine technischen Geräte anvisiert und bespielen diese mit Videomaterial. Darauf sind brutale Folter- und Exekutionsszenen zu sehen. Jedes Video endet mit der Frage, warum Luckinbill nichts gegen das Leid und Unrecht in der Welt tut. Die Eingriffe beschränken sich nicht auf Luckinbills eigene Geräte, sondern auch auf alle technischen Geräte in seinem Umfeld. Während Luckinbill immer weiter abstumpft, sich daran gewöhnt, dass um ihn herum immer blutige Mordszenen gezeigt werden, verliert er zunächst seinen Job, dann seine Frau und letztlich auch seine Freunde. Sie können die Gewalt nicht mehr ertragen. Nachdem er alles verloren hat, entschließt sich Luckinbill eine Organisation zu gründen und auf diese Art des Terrorismus aufmerksam zu machen. Der Erfolg ist riesig. Von den Spendengeldern zweigt Luckinbill jedoch immer wieder beträchtliche Summen ab: Um den Opfern der ersten Videos, mit denen er belästigt wurde, zu helfen.

„Caspar D. Luckinbill, What Are You Going to Do“ ist eine sehr dynamische Kurzgeschichte. Der „terroristische Angriff“ geschieht in den ersten Zeilen, der Rest der Erzählung beschreibt, wie Luckinbills Leben außer Kontrolle gerät. Die Geschichte besteht aus drei sehr interessanten Elementen. Zunächst zeigt sie auf, wie weit der Missbrauch privater Informationen im Internetzeitalter gehen kann. In dieser Zukunftsversion sind alle Geräte miteinander vernetzt. Hat man Luckinbill erst einmal lokalisiert, ist es ein Leichtes, sein gesamtes Umfeld anzuvisieren. Die Folgen sind enorm. Da dies sehr nah an der Realität ist, hinterlässt es zusammen mit den Schilderungen brutaler Szenen einen schaurigen Eindruck.

Es ist aber auch interessant zu beobachten, wie Luckinbill gegenüber all der Gewalt abstumpft. Um nicht durchzudrehen, muss er apathisch gegenüber den immer tragischeren Szenen werden. Angesichts der täglichen Dosis Gewalt und Tod, die moderne Nachrichten uns übermitteln und die ebenfalls zu wenigen Reaktionen führen, ist dies ein eindringlicher Prozess, der nachdenklich macht. Viel erschreckender ist jedoch die Reaktion aus Luckinbills Umfeld. Jeder gibt an, größte Verständnis für die schwierige Situation Luckinbills zu haben. Letztlich wird es jedoch allen zu viel. Dabei schwingt immer eine Art Vorwurf mit: Luckinbill wird beschuldigt, selbst an seiner Opferrolle Schuld zu haben. Schließlich hätte er ja etwas gegen das Leid in der Welt unternehmen können. Möglicherweise wäre er dann kein Ziel geworden. Dieser Mangel an Empathie für Luckinbill als Opfer ist erschreckend.

Zuletzt zeigt die Geschichte aber auch, wie stark Opfer sein können, wenn sie sich zusammenschließen. Luckinbill gelingt es, viele weitere Menschen auszumachen, die unter den selben Attacken leiden wie er. Das ist ein starker Abschluss. Noch stärker wird er aber dadurch, dass der Terror an Luckinbill Früchte trägt. Er leitet einen großen Teil der Einnahmen seiner Organisation weiter, um den Opfern der ersten Videos, mit denen er terrorisiert wurde, zu helfen. Denn obwohl es ihm nun besser geht, er gegen seine Angreifer vorgeht, so hinterlassen die Attacken doch Narben. Es ist nie ganz klar, ob die genannten Länder und Opfer tatsächlich existieren oder ob es sich nur eine Gelderpressung handelt. Egal wie, trotz seines erfolgreichen Gegenangriffs, bleibt Luckinbill – wie andere Missbrauchsopfer – von der Tat gezeichnet. Das ist ein eindringlicher Schluss.

Die Kurzgeschichte „Caspar D. Luckinbill, What Are You Going to Do?“ von Nick Wolven ist 2016 im „Magazine of Fantasy and Science Fiction“ und 2017 auf „wired.com“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2017“, herausgegeben von Charles Yu und John Joseph Adam.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert