Das Erbe der Elfen (von Andrzej Sapkowski)

Die Welt um den Hexer Geralt ist wieder einmal im Aufruhr. In einer großen Anstrengung konnten Menschen der Nordkönigreiche, Zwergen, Elfen und Zauberer einst das Königreich Nilfgaard in seinem Expansionsdrang stoppen. Die Schlacht war blutig und der Norden hat sich von dem Konflikt noch immer nicht ganz erholt. Daher sind alle Parteien daran interessiert, den Waffenstillstand aufrecht zu erhalten, auch wenn dies bedeutet, dass sich Nilfgaard neu formieren kann. Doch die Hoffnung trügt: Agenten Nilfgaards sähen immer mehr Konflikte zwischen Menschen und Nicht-Menschen. Bürgerkriege drohen die nördlichen Königreiche zu entzweien und Nilfgaard rüstet immer weiter auf. In dieser Situation bemüht sich Geralt, dem jungen Mädchen Ciri, der Trohnerbin Cintras, die er vor Nilfgaards Truppen gerettet hat, eine behütete Kindheit zu sichern. Doch bald stellt sich heraus, dass Ciri magische Fähigkeiten hat und aufgrund geopolitischer Erwägungen, ein wichtiger Spielstein im Spiel der Mächte ist.

„Das Erbe der Elfen“ ist nach zwei grandiosen Kurzgeschichtensammlungen der erste Roman aus dem Hexer-Universum. Die oben skizzierte Handlung bewegt sich langsam voran und kommt auf den knapp 400 Seiten kaum voran. Das ist jedoch wie schon in den Kurzgeschichten völlig egal: Sapkowski gelingt es mit seinem eindringlichen Schreibstil grandiose Charaktere und Welten zu erschaffen, die sein Universum bevölkern. In den für Geralt üblichen knappen Sätzen verbergen sich viele unausgesprochene Emotionen. Seiner ehemaligen Partnerin und späteren Lehrerin Ciris, Yennifer, geht es dabei genau so. Die Interaktionen zwischen Geralt und Yennifer, miteinander, mit Ciri und mit anderen Charakteren sind immer getroffen und treiben den Roman.

Gleichzeitig ist der Roman überzeugend konstruiert. Dem Leser ist zwar die grobe Hintergrundgschichte (die auch in den Kurzgeschichten immer hinter den Charakteren zurückstehen musste) bekannt. Die jetzigen Entwicklungen mit all ihren fürchterlichen Konsequenzen entfaltet sich aber nur sehr langsam. Dies geschieht mal in Balladen, mal dadurch, dass Geralt oder Yennifer direkt in einen Konflikt involviert werden. Über den Verlauf des Romans gelingt es Sapkowski dabei, immer mehr Fraktionen und Charaktere miteinander zu balancieren und zu verknüpfen, sodass ein immer dichteres Handlungsnetz besteht. Am Ende kommt es zu einem überraschend spannungsarmen Höhepunkt, der aber gerade wegen der dichten Erzählweise dennoch überzeugen kann.

Auf der anderen Seite erlebt der Leser in vielen intensiven Szenen direkt mit, wie Nifgaard auch ohne offenen Krieg, Leid über die Welt bringen kann. Eine der stärksten und eindringlichsten Szenen ist der Angriff einer Gruppe Elfen auf einen Transportkonvoi. Die Aktion ist an Sinnlosigkeit nicht zu überbieten – weil beide Seiten mit gezinkten Karten spielen, und verdeutlicht wie alle Nicht-Menschen in dem erbarmungslosen Konflikt zwischen den menschlichen Königreichen in moralische Zwickmühlen geraten und in ihrer Existenz bedroht sind. Das Leid der langsam untergehenden nicht-menschlichen Völker und die Skrupellosigkeit menschlicher Egos, die wiederum Leid über Menschen bringen, sind hier sehr gut dargestellt. Gleichzeitig werden Geralts (und später Yennifers) Moralprinzipien aus den Augen Ciris dauernd hinterfragt, was der Handlung ebenfalls sehr gut tut.

Denn letztlich ist die Frage, wie sich das Trio in dieser explosiven Situation verhält. An Geralt und Yennifer merkt man immer, wie die beiden versuchen ihr eigenes Glück angesichts enormer Erwartungen an sie zu erlangen. Das ist immer überzeugend dargestellt und erschafft zusammen mit der Haupthandlung, einen grandiosen und spannenden Mix, der bis zum Ende des Romans so fesselt, dass man angesichts der vielen sich entwickelnden Protagonisten gar nicht merkt wie wenig sich die Makrohandlung eigentlich voran bewegt. „Das Erbe der Elfen“ ist damit ein enorm unterhaltsames Fantasy-Feuerwerk: in einer dichten, melancholisch-emotionalen Umwelt leiden, hoffen und lieben die interessanten Protagonisten in einer charaktergetriebenen, grandiosen Handlung.

 

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