The Last Banquet of Temporal Confections (von Tina Connolly)
|Saffrons Gatte Danny hat eine neuartige Art des Backens entdeckt. Seine Pasteten und Küchlein reizen nicht nur die Geschmacksknospen, sondern sie wecken dem Genießer auch eine besondere Erinnerung frei. So erinnert sich jeder Esser der Rosmarin-Krostini-der-fröhlichen-sorglosen-Jugend an einen der fröhlichsten und sorglosesten Momente seiner Jugendzeit. Leider ist das Leben des Ehepaars weder fröhlich noch sorglos. In ihrem kleinen Königreich hat ein Usurpator den Thron an sich gerissen und regiert diktatorisch. Saffrons Schwester Rosie wurde wegen ihres Widerstands gegen diesen Wechsel hingerichtet. Die Bäckerleute wurden in Sippenhaft genommen und zur Zwangsarbeit am Hof verpflichtet. Danny backt nun für den sadistischen Verräterkönig Duke Michal. Seine Gattin darf ihn nie sehen, ist jedoch als Vorkosterin angestellt. Nach langer Zeit findet Danny endlich einen Weg, Michal zu vergiften, ohne seiner Frau zu schaden. Mit seiner letzten Pastete ruft Danny nicht die schlimmste Qual des Essers wach, sondern die schlimmsten Qualen, die der Esser je beobachtet hat. Für Saffron ist das eine schmerzhafte Erfahrung, für Michal jedoch angesichts seiner vielen, gefolterten Opfer so überwältigend, dass er ins Koma fällt. Dieses Koma dauert lange genug, damit die alte Ordnung im Königreich wieder hergestellt werden kann.
Die Erzählung lebt von der phantastischen Idee, dass Backwerk Erinnerungen wachrufen kann. Das ist schließlich tatsächlich der Fall. Jeder Mensch verbindet bekannte Kuchen und Torten z.B. mit Kindheitserinnerungen. Dieser Gedanke wird in „The Last Banquet of Temporal Confections“ logisch fortgeführt. Diese magischen Kuchenteile können für jeden Esser, unabhängig von den mit dem Kuchenstück verbundenen Erinnerungen, Gedanken und Emotionen freisetzen. Das ist in erster Linie eine Liebesgeschichte an die Kraft süßen Essens, die mit einer sehr emotionalen Note versehen wird.
Denn aus Saffrons Sicht erlebt der Leser die Brutalität des Usurpator-Königs. Hier regiert ein Sadist auf dem Thron, gegen den man in einem Königreich ohne Kontrollinstanzen nichts ausrichten kann. Im Gegenteil, der ganze Hof hat sich ehrfürchtig in den Dienst des neuen Herrschers gestellt. Wie kommt man aber ohne Gewaltmöglichkeiten einem Herrscher bei, der auf keine humanistischen Argumente hört? Ein Sadist hat ja schließlich Freude an dem Leid seiner Untertanen und wird kaum davon zu überzeugen sein, sich für deren Wohl einzusetzen. Die Erzählung nimmt daher am Ende eine ausgesprochen befriedigende Wendung. Wie wäre es, wenn der Herrscher anstatt der Freude über das Leid anderer auf einmal das von ihm zugefügte Leid spüren würde? Die Antwort hier ist klar: Es würde den Herrscher, der bisher ausschließlich für sein Vergnügen gelebt (und gefoltert) hat, völlig überwältigen. Der emotionale Ton, die berührende Leidensgeschichte Saffrons und das aufklärerische Ende, das man manch noch regierendem Diktator wünschen würde, machen dieses Bankett zu einem Festmahl.
Die Erzählung „The Last Banquet of Temporal Confections“ von Tina Connolly ist 2018 auf tor.com erschienen. Sie ist für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Novelette“ nominiert.