The Red Angel (Star Trek: Discovery, Episode 2×10)
|https://www.youtube.com/watch?v=Uz5cmD1nTjA
Die Besatzung der Discovery konnte unter hohen Verlusten verhindern, dass das Computerprogramm „Control“, auf das sich die Geheimorganisation Sektion 31 stützte, über sich hinauswachsen und zu einer Bedrohung für die Galaxis werden konnte. Nun stellt sich heraus, dass Sektion 31 hinter den technischen Voraussetzungen für den zeitreisenden „Roten Engel“ steckt. Kurz darauf findet Ensign Tilly heraus, dass sich in dem Roten Engel Michal Burnham versteckt. In der Konsequenz entscheiden Captain Pike und Captain Leland, dass der Rote Engel am Besten in unserer Zeit gefangen gesetzt werden sollte, um mehr über die Bedrohung für unsere Galaxis zu erfahren. Doch die Jagd stellt sich als kompliziert heraus.
Der „Rote Engel“ ist eine schnelle Episode. Es geschieht viel, die Ereignisse überschlagen sich. Gleichzeitig überlässt die Folge den Protagonisten viel Platz und erlaubt ausgiebige Dialoge. Diese sind temporeich geschrieben und inszeniert und tragen damit ebenfalls zu dem schnellen Erzählstil der Episode bei. Da die Dialoge allesamt recht gut funktionieren, erhöht das den Unterhaltungswert der Folge enorm.
Der „Rote Engel“ ist zudem eine spannende Episode. In erster Linie interessiert natürlich die Frage, ob es gelingen wird, den Engel zu fangen, ohne Michal Burnham dabei zu verletzen. Gleichzeitig sorgen den Zuschauer aber auch Fragen, die die Protagonisten unbeantwortet lassen. Diese sind so versessen darauf, den „Roten Engel“ zu fangen, dass sie kaum Fragen stellen. Denn ist der Galaxis wirklich geholfen, wenn man das einzige Wesen festsetzt, dass vor der drohenden Zerstörung warnt? Was, wenn dadurch ein Plan zunichte gemacht wird, der die Galaxis retten könnte? Diese Fragen werden in der Episode jedoch ignoriert. Es handelt sich bei „The Red Angel“ nämlich um den Auftakt zu einem mindestens zweiteiligen Handlungsstrang. Hier wird daher lediglich der Rahmen für die Fortsetzung(en) gebaut.
Michal erfährt dabei zwei erschütternde Dinge. Sie muss verarbeiten, dass sie selbst aller Voraussicht nach hinter dem Roten Engel steht. Zweitens erfährt sie von Leland, dass ihre Eltern von Klingonen getötet wurden, weil sie für die Sektion 31 arbeiteten. Dadurch wird der „Zufall“ verständlicher, dass ausgerechnet Michals Eltern von brutalen Klingonen ermordet wurden. Dennoch erscheint dies hier ein wenig konstruiert. Spock macht sich regelmäßig darüber lustig, dass Michal glaubt, allein für den Frieden und Fortbestand der Galaxis verantwortlich zu sein. Das Drehbuch gibt aber den Eindruck, dass Michal genau dafür zu sorgen hat. Die Doppelenthüllung wirkt hier beinahe etwas zu dick aufgetragen. Burnham ist dadurch (und in Verbindung mit dem emotional ebenso aufwühlenden Begräbnis einer auf einer Mission verstorbenen Freundin) auf einem Tiefpunkt angelangt, der sie wieder in die Arme Tylers treibt. Während dies immer droht, zu rührselig zu werden, bringt dieser Handlungsstrang allerdings auch eine ausgesprochen starke Unterhaltung mit Spock. Hier unterhalten sich die beiden Adoptivgeschwister erstmals überzeugend, authentisch und wirklich informativ. Dafür lohnen sich die vielen Enthüllungen.
Allerdings ist es verwirrend, dass Sektion 31 nach dem Fiasko mit „Control“ umgehend wieder eine elementare Rolle spielt. Nach all ihren Missgriffen müsste die Sektion deutlich demütiger auftreten. Zudem ist es verwunderlich, dass die Sternenflotte essenzielle Fragen nicht viel lauter stellt. Warum hat die Sektion nicht längst enthüllt, dass sie mehr über den „Roten Engel“ weiß? Saru scheint hier der Einzige zu sein, der seine Skepsis nicht nur ausspricht, sondern auch nach ihr handelt. Zwar verspricht die Sektion, dass es keine Spuren von Control in ihren Systemen gibt. Angesichts der Raffiniertheit des Programms ist dies eine ausgesprochen optimistische Einschätzung, die zu schnell von allen Beteiligten geglaubt wird. Immerhin: Agentin Georgious Auftreten ist einmal mehr genial und unterhaltsam.
„The Red Angel“ ist schwer zu beurteilen: Die Folge ist der erste Teil eines Mehrteilers und erfüllt alle Funktionen eines solchen. Die Crew meint den „roten Engel“ nun zu kennen. Um so größer die Überraschung, als sich der Engel keineswegs als Burnham herausstellt. Der Weg dorthin ist temporeich und spannend. Der Episode gelingen vor allem eine Reihe überzeugende Charaktermomente. Allerdings droht die Haupthandlung etwas aus dem Ruder zu laufen: Wichtige Fragen werden nicht gestellt, sinnfreie und gefährliche Pläne, wie z.B. den „roten Engel“ unter Einsatz Michals Leben gefangen zu setzen, ohne große Diskussion umgesetzt und die Erklärungen z.B. für den Zeitreiseanzug des „Engels“ werden immer abstruser. Insofern hält „The Red Angel“ das hohe Unterhaltungsniveau der zweiten Staffel, läuft aber Gefahr, dass die Nachfolger die Versprechen an überzeugenden Erklärungen und weiteren Entwicklungen nicht einlösen können.