Vulcanization (von Nisi Shawl)
|König Leopold von Belgien wird 1898 von immer gruseligeren Geisterscheinungen heimgesucht. Er erträgt die Lage kaum und wendet sich immer verzweifelter an seine Berate um Hilfe. Ein besonders einfallsreicher Wissenschaftler erschafft eine Maschine, mit der man Geister nicht nur sichtbar machen kann, sondern sie anschließend auch zerstören kann. Allerdings braucht es noch einen Testlauf, bevor der König selbst sich der Prozedur unterzieht.
Der Handlungsort der Kurzgeschichte „Vulcanization“ ist äußerst interessant. Als Kolonialmacht war Belgien im Kongo unter Leopold für viele Gräueltaten verantwortlich. In dieser Kurzgeschichte, die mit dem mir nicht bekannten Steampunk-Roman Everfair der Autorin lose in Verbindung steht, wird Leopold von den Opfern im Kongo heimgesucht. Die Maschine, die ihn befreien soll, passt gut in eine Steampunk Welt. Sie atmet bereits den Geist der Industrialisierung und versucht dennoch das Übersinnliche technisch erfahrbar zu machen. Die durch diese Verbindung entstehende Unsicherheit, macht die Kurzgeschichte spannend.
Wirklich schaurig wird die Kurzgeschichte aber dadurch, dass Leopold die wahren Ursachen seiner Schuldgefühle nicht einmal bedenkt. Auf irgendeiner Ebene scheint er von dem Schrecken im Kongo betroffen zu sein. Doch sein Weltbild lässt es nicht einmal zu, den Gedanken zu fassen, die unter seinem Namen im Kongo begangenen Morde und Verbrechen könnten unrechtmäßig sein. Zu allem Überfluss lässt er die Maschine auch noch an einem (unfreiwilligen) Kongolesen testen. Diese völlige Ignoranz der Wirklichkeit gegenüber ist eindringlich kühl dargestellt. Das wirkt besonders stark als das Leopold und seine rassistischen Einstellungen mit großer Sympathie dargestellt werden. Der daraus resultierende Widerspruch könnte größer nicht sein.
Trotzdem bleibt die Kurzgeschichte vermutlich ein Wunschdenken. Leopold wird vermutlich kaum unter Schuldgefühlen gelitten haben. „Vulcanization“ erinnert daher auch daran, dass die Täter kolonialer Verbrechen ohne Sorgen profitieren konnten. Beim Lesen denkt man daher immer auch darüber nach, wie wohl der historische Leopold auf die Darstellungen der Gräuel im Kongo reagiert haben wird. „Vulcanization“ hinterlässt daher nicht nur durch die düstere Geisterstimmung, sondern vor allem von dem nicht erwähnten, grausamen historischen Hintergrund, einen schaurigen Eindruck.
Die Kurzgeschichte „Vulcanization“ von Nisi Shawl ist 2016 im „Nightmare“ – Magazin erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2017“, herausgegeben von Charles Yu und John Joseph Adam.