The Witch of Orion Waste and the Boy Knight (von E. Lily Yu)
|Eine junge Hexe hilft allen Menschen ihres Dorfes. Eines Tages kommt ein Ritter vorbei, der nach Hilfe im Kampf gegen einen Drachen sucht. Die Hexe entscheidet sich dazu, den attraktiven Ritter zu begleiten – er verspricht ihr unter anderem Küsse für etwas Hilfe. Im Laufe ihrer Reise zeigt der Ritter immer wieder Anzeichen, dass er sich vor dem Kampf mit dem Drachen fürchtet. Die Hexe fürchtet um das Leben des Ritters und erledigt den Drachen für sich. Doch der Ritter zieht immer weiter, um noch stärkere Drachen zu töten. Am Ende ist es immer die Hexe, die die Monster umbringt. Anstatt ihren Einsatz zu goutieren, wendet sich der Ritter jedoch verstärkt von ihr ab, nimmt sich gar eine junge Adlige als Freundin. Die fassungslose Hexe erinnert sich ihrer eigenen Fähigkeiten und erforscht die Seelen der beiden. Sie findet heraus, dass der Ritter eigentlich ein Kind ist, dass erst wachsen kann wenn es drei Drachen selbst getötet hat. Die Dame wiederum ist eine Frau mit einem Loch, mit einer Sehnsucht, die vermutlich nie gestillt werden kann. Resigniert wendet sich die Hexe von den beiden ab, kehrt in ihr Dorf zurück und entscheidet sich, tanzen zu lernen.
Diese Kurzgeschichte lebt vor allem von ihrer Stimmung. Sie ist im Stil eines Märchens erzählt. Dieser Ton erscheint mystisch und gleichzeitig episch. Während die beiden Reisenden von Gefahr zu Gefahr wandern, ist der Leser auf der Suche nach der Botschaft dieses Märchens. Der Clou Yus is, dass diese Botschaft nicht wirklich entsteht. Weder wird die Gewalt gegenüber Drachen thematisiert, noch die Herkunft der Flüche, die auf den Begleitern der Hexe lasten. Auch die Gefühlswelt der Hexe wird immer nur oberflächlich, geradezu implizit angesprochen.
Daher herrscht nach der Lektüre erst einmal Ratlosigkeit darüber, was „The Witch of Orion Waste and the Boy Knight“ eigentlich mitteilen möchte. In gewisser Weise geht es für alle Beteiligten um die Frage, was eigentlich die eigene Rolle in der Welt ist. Die Hexe scheint von ihrer Rolle als Dorfhelferin keineswegs erfüllt zu sein. Kurz nach ihrer Rückkehr stürzt sie sich bereits in das nächste Projekt (anstatt Drachen zu töten, möchte sie nun jedoch tanzen lernen). Auch der Ritter und die Dame sind nicht in der Lage, ihre eigenen Wünsche zu erfüllen.
Und vermutlich rührt die bewegende Stimmung, die diese Kurzgeschichte trotz der fehlenden Aussage erschafft genau daher. Sie erschafft das geradezu tragische Bild dreier Charaktere, die nicht in der Lage sind, ein glückliches Leben zu führen. Doch während zwei von ihnen durch einen Fluch daran gehindert werden, sich auszuleben, rutscht die Hexe ohne einen Fluch für eine Weile in eine untergeordnete, geradezu demütigende Situation. Yu zeigt anhand dieses Hexenmärchens sowohl das Privileg, träumen zu können, als auch die Notwendigkeit, diese Wünsche anschließend auch aktiv umzusetzen.
Die Kurzgeschichte „The Witch of Orion Waste and the Boy Knight“ von E. Lily Yu ist 2016 im „Uncanny“ – Magazin erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2017“, herausgegeben von Charles Yu und John Joseph Adam.