By Degrees and Dilatory Time (von S. L. Huang)
|Krebs in der Zukunft: Der namenlose Protagonist dieser Kurzgeschichte erlebt in jungen Jahren bereits seine zweite Krebsdiagnose. Nachdem bereits ein Teils seines Beines gegen künstliche Körperteile ausgetauscht werden müssen, sind nun seine Augen von Krebs befallen. In der Zukunft ist das kein Problem: Die Augen werden herausgenommen und künstliche wieder eingesetzt. Die Freunde des Protagonisten sind begeistert, er werde besser sehen können, stärker in Computerspielen sein und vor allem bei seinen Partnern mehr Erfolg haben. Dieses euphorische Gefühl stößt auf wenig Gegenliebe, empfindet der Krebspatient doch in erster Linie Schmerz und Verlustgefühle über seine Natürlichkeit.
Die Kurzgeschichte „By Degrees and Dilatory Time“ greift einen bedrückenden Widerspruch auf. Auf der einen Seite wird der „Kampf gegen den Krebs“ als etwas tragisches und gleichzeitig heroisches wahrgenommen. Für den Patienten bedeutet der Kampf jedoch in erster Linie Schmerz. Der hier präsentierte Blick zeigt eine Zukunft, in der Krebs (noch) nicht besiegt wurde. Er plagt die Menschheit noch immer, die sich aber immer clevere Gegenmaßnahmen ausgedacht hat. Künstliche Augen sind dabei der letzte Schrei.
Dies ermöglicht der Autorin, das Umfeld des Krebspatienten durch aufbauendes Mitleid zu charakterisieren. Jeder sieht die Schmerzen, aber alle weisen auf die vermeintlichen Vorteile der High-End Augen. (Dabei ignoriert jeder die Tatsache, dass sich die Krankenkassen auch in der Zukunft für die preiswerteste Alternative entscheiden.). Dieses Mitleid geht am eigentlich Problem des nun zum zweiten Mal gebeutelten Patienten vorbei: Er fühlt sich mit seinen Augen schlicht nicht wohl. Während all etwas Positives darin sehen und das künstliche Sehvermögen besser als gar kein Sehvermögen ist, erscheinen ihm die Augen für lange Zeit als Fremdkörper.
Neben dem Kampf ums Überleben des Krebsleiden wirft „By Degrees and Dilatory Time“ daher ein Augenmerk auf den einsamen Kampf um die Anpassung an die Krebsfolgen. Der Mensch passt sich an alles an, nur ist diese Anpassung häufig mit viel Leid verbunden. In der Auseinandersetzung mit künstlichen Elementen in menschlichen Körpern zeigt „By Degrees and Dilatory Time“ eindringlich die nüchternen, in der medialen Wahrnehmung (vor allem aus Sicht der Autorin) ignorierten Aspekte dieser Anpassung auf.
Die Kurzgeschichte „By Degrees and Dilatory Time“ ist 2015 in der Online- und Print-Zeitschrift „Strange Horizons“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2016“, herausgegeben von Karen Joy Fowler und John Joseph Adam.