Aus dem Schatten (von Andreas Suchanek / Heliosphere Band 30)

helios30Der Verband von Commodore Cross und der Heliosphere gerät im Northstar-System in eine ausweglose Situation: Das Imperium startet einen Großangriff und hat den Verband umzingelt, ein Ausfall ist kaum möglich. Es ist offensichtlich, dass das Imperium die Aktion bereits plante, als der Verband das System im vorherigen Band noch untersuchte. Derweil schwant den Bewohnern der Solaren Republik nicht, dass sie sich ebenfalls einer neuen Bedrohung ausgesetzt sehen: Alexis Cross, Commodore Cross‘ Mutter, die ihrem Sohn nie verzeihen konnte, dass sie durch den Anschluss ihres Sohnes an die Rebellion ihr Industrieimperium verloren hat, plant die Übernahme der Regierungsleitung in der Solaren Republik. Mithilfe der Körpertauschmaschine möchte sie Präsidentin Shaw durch sich selbst ersetzen.

Stolz präsentiert Suchanek auch im dritten Zyklus eine kleine Tradition: Im sechsten von zwölf Bänden wird vieles auf den Kopf gestellt, der Teil endet mit einem (oder in diesem Fall: zwei) großen Cliffhanger. Commodore Cross scheint Tod zu sein, seine Mutter stürzt die Republik ins Chaos – keiner weiß, wie es weitergeht, Heliosphere 2265 verzichtet (laut Nachwort) auf Füllromane aller Art. Dabei zeigt leider gerade diese Folge, warum es gar nicht schlecht wäre, auf Füllromane zu setzen anstatt sich mit großer Mühe einen Cliffhanger auszudenken.

Denn „Aus dem Schatten“ präsentiert nichts Neues. Ironischerweise wird dies auch im Nachwort vermerkt. Während im ersten Zyklus Captain Cross im sechsten Teil der Tod drohte, stand die Republik im zweiten Zyklus im sechsten Teil am Abgrund. Nun stehen im sechsten Teil gleich beide vor dem Tod beziehungsweise dem Abgrund. Man sieht: Alles ist schon einmal da gewesen, der Roman bietet nichts Neues.

Natürlich: Das Versteckspiel im Northstar-System ist rasant geschrieben und auch die Handlung in der Republik bietet einen gewissen Sog. Doch letztlich wird dadurch nur von der Haupthandlung des Zyklus abgelenkt, die scheinbar doch keine zwölf Romane tragen kann. Letztlich ist genau dieses Ereignisreiche Schauspiel mit altbekannten Elementen ein großer Füllroman. Denn weder erfährt der Leser mehr über die Charaktere, noch machen diese irgendeine Entwicklung durch. Stattdessen sind sie wieder einmal Statisten in einem bereits vorher von anderen Mächten durchgeplanten Spiel. Hier wird es Zeit, dass Heliosphere sich vermehrt an innovative und vor allem komplexere Handlungen und Charaktere traut, wie es in den ersten Romanen des dritten Zyklus anklang.

Am ärgerlichsten ist nämlich die unsägliche Schlichtheit der Kontrahenten. Sowohl Alexis Cross als auch die gegnerische Generalin werden als so simpel dargestellt, dass es schlicht unglaubwürdig erscheint. Man nehme Erstere als Beispiel: Der Wahnsinn der Alexis Cross steht dem von Björn Sjöberg und General Michalew in Nichts nach. Wie die beiden anderen ist sie von Hass getrieben, lässt sich hauptsächlich von ihren Emotionen leiten und zeigt dabei nur ein Mindestmaß an Intelligenz. Dieser Handlungsbogen wurde seit dem zweiten Zyklus angekündigt und dadurch bestand zumindest die Hoffnung, dass Cross immerhin interessante Motive aufweist. Letztlich geht es aber auch ihr um simple Macht. Es scheint als habe Suchanek Probleme, sich in seine bösen und verrückten Charaktere einzudenken.  Denn weder gelingt es ihm, eine Trennlinie zwischen diesen beiden Charaktereigenschaften zu ziehen noch diese glaubwürdig und nuanciert darzustellen. Protagonisten, die dadurch so etwas wie einen Schatten aufweisen, also sowohl gute als auch böse Eigenschaften haben, sucht man in der Serie daher vergeblich. Stattdessen bleibt nach einem Roman wie diesem hauptsächlich die Fragen, wie Alexis Cross es überhaupt geschafft hat, jemals ein Industrieimperium zu leiten und warum ihr dämlicher Plan nun aufging sowie warum alle im Imperium die Generalin im Northstar System für brillant hielten.

„Aus dem Schatten“ ist eine Episode, die die „Heliosphere 2265“-Welt zur Zyklushalbzeit mit altbewährten Mitteln aufrüttelt. Das ist zwar ereignisreich, doch nicht wirklich überzeugend, da vor allem die Kontrahenten nur mangelhaft charakterisiert sind und die Ereignisse in keinem Zusammenhang mit der Haupthandlung stehen. Hier wäre einer der oft bescholtenen „Füllromane“, der einem der Charaktere Zeit und Raum gibt, sich zu entwickeln, mit etwas mehr Anstrengung genau so unterhaltsam und vor allem deutlich stimmiger gewesen.

2 Comments

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert