Hamburg: Linke übersehen
|Hamburg hat gewählt und die nationale Presse für einige Tage einiges zum Nachdenken gegeben. Die CDU hat im Vergleich zum desaströsen Ergebnis 2011 noch einmal deutliche Verluste einstecken müssen. Ebenfalls verloren haben die Sozialdemokraten. Mit knapp 46% haben sie trotzdem ein beachtliches Ergebnis eingefahren, das in den meisten Ländern wohl zur absoluten Mehrheit geführt hätte. Nicht so bei dieser Wahl: Durch den Einzug sowohl der AfD als auch der FDP ist die SPD auf die Grünen als Koalitionspartner angewiesen.
Der „traditionelle“ Wahlgewinner, also die Partei mit den höchsten Zugewinnen, ist diesmal die rechtspopulistische AfD. Lustigerweise sind es nun ausgerechnet die rechten Wähler, die Hamburg eine vermeintlich linkere Regierung ermöglichen: Durch den Verlust der absoluten Mehrheit wird die SPD wohl mit den Grünen regieren. Die sind zwar – siehe die schwarz-grüne Koalition von 2008 bis 2011 – nicht unbedingt linker als die SPD, in Einwanderungsfragen sind sie in der Regel jedoch liberaler als die Sozialdemokraten. Ironischerweise funktioniert diese Logik jedoch auch andersherum: Die Grünen verdanken ihre Regierungsbeteiligung der starken AfD.
Folgt man den Medienberichten, so ist die FDP der zweite große Wahlgewinner. In der Tat haben es die Liberalen in einem für sie schwierigen „Pflaster“ und nach ausgiebigem innerparteilichen Streit geschafft, ihr Ergebnis von 2011 sogar noch zu verbessern. Das ist respektabel. Trotzdem rangieren sie, geordnet nach Zugewinnen, lediglich auf dem dritten Platz. Von den Medien gänzlich unbeachtet, hat sich die Linkspartei nämlich um mehr als zwei Prozentpunkte verbessert. In einigen Hamburger Stadtteilen hat sie sogar – anders als 2011 – die relative Mehrheit erreichen können. Nach vielen desaströsen Wahlergebnissen im Westen und im Osten ist es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine positive Nachricht für die Linkspartei. Die skandalfreie Arbeit der dortigen Bürgerschaftsfraktion scheint durchaus honoriert zu werden. Natürlich handelt es sich hierbei um einen sehr lokalen Trend. Langfristig wirft dies aber natürlich die Frage auf, ob „erfolgreiche“, reform-orientierte Kräfte in der Linkspartei wie in Hamburg und Thüringen durch ihre Wahlerfolge auch ihren Einfluss auf die Bundespartei ausweiten können. Sollte dies gelingen, wäre eine der notwendigen Grundlagen für ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene gegeben.
Zuletzt bleibt abzuwarten, ob sich diese Trends auch in Bremen fortsetzen werden. Dabei handelt es sich zwar um ein Bundesland mit mindestens so einzigartigen Logiken wie Hamburg, doch zumindest in einem Fall könnte der Trend ähnlich aussehen: In Bremen hat die Union anders als in Hamburg eine konservative, nicht gerade großstadttaugliche Kandidatin auserkoren. Die letzten Umfragen sind über ein halbes Jahr alt und deuteten an, dass die Union den Grünen den zweiten Platz hinter der SPD streitig machen könnte. Sollten Stimmungsmuster aus Hamburg auch in Bremen auftreten, könnte sich diese Hoffnung als Illusion erweisen.