Journalistische Glaubwürdigkeit durch Faktenchecks retten?
|Einige tausend Demonstranten in Dresden halten seit einige Zeit das Land in Atem. Kein Tag vergeht, dass sich die deutschen Medien, hauptsächlich über ihre Internetableger, über die Bedeutung der zuletzt 17.500 Menschen anlockenden Protestmärsche ausließen. Mit der intensiven Berichterstattung über die Protestmärsche folgen vor allem die Internetableger deutsche Medien einem kommerziellen Trend, der auf Effekthascherei basiert, sie auf Dauer aber ihr wichtigstes Kapital, die Glaubwürdigkeit, kostet.
Journalismus ist heutzutage hart. Die Zeiten, in denen Zeitschriften und Magazine Goldgruben waren, sind lange vorbei. Zudem ist die Konkurrenz im Internet deutlich stärker als einst auf dem Printmarkt. Hohere Klickzahlen und damit Werbeeinnahmen können nur durch reißerische Themen generiert werden. Auf diese Art entsteht eine immer sensationslüsterne Stimmung unter den Medien. Vermutlich auch deshalb erhielten bereits die ersten PEGIDA-Märsche, an denen lediglich einige tausend Teilnehmer mitgingen, viel Aufmerksamkeit. Während sofort über mögliche Auswirkungen PEGIDAs auf die deutsche Gesellschaft, die deutsche Parteienlandschaft und die Entwicklung des Landes im Ganzen spekuliert wurde, erhielt die Frage, wer dort demonstriert, kaum Aufmerksamkeit.
Denn bis heute scheinen die Demonstrationen weitestgehend auf Dresden begrenzt zu sein. Obwohl sich bundesweit Ableger gegründet haben, erreicht keine der anderen Demonstrationen die Stärke des Dresdner Originals. So etwas legt den Schluss nahe, dass die Dresdner Demonstrationen entweder durch die massive Unterstützung national-konservativer Bürger aus dem gesamten Bundesgebiet ihre Größe erhalten oder aber lediglich aus einem lokalen Unzufriedenheitsgefühl (z.B. einer Landesregierung, die seit acht Jahren ausgeglichene Haushalte präsentiert, aber weiterhin Sozial- und Bildungsleistungen kürzt) geboren ist. Diese Frage spielt jedoch in den Presseberichten allerhöchstens eine untergeordnete Rolle.
Die PEGIDA-Berichterstattung steht somit sinnblidlich für die Malaise weiter Teile der deutschen Berichterstattung: Die Ursachenforschung bleibt zunehemnd aus. Stattdessen bieten die meisten journalistischen Anbieter – günstig zu produzierende und gleichzeitig effekthascherische – Kommentare und Prognosen. Dazu wird das Phänomen zudem deutlich überhöht dargestellt. Zum Vergleich: Bereits 2010, ein Jahr vor dem Fukushima-Unglück, konnten Anti-Atomdemonstrationen in Deutschland mehr als 100.000 Menschen auf die Straße bringen. Daraus wurde weitaus weniger Aufwind gemacht als um die deutlich geringere Anzahl an PEGIDA-Demonstranten. Diese Berichterstattung bietet nicht nur den rechts-nationalen PEGIDA-Organisatoren das gewünschte Forum, sondern informiert die Bürger nurin geringem Maße. So können sich die Medien zwar freuen, dass sie dank ihrer Diskursmacht einmal mehr das politische Thema der Saison bestimmen konnten, ihren Kernauftrag haben sie jedoch verfehlt.
Menschen, die von Medien vor allem Informationen erwarten, wenden sich daher zunehemend von diesen ab. Anstatt ihr Kerngeschäft zu stärken, setzen immer mehr Online-Zeitungen daher auf „informative“ Faktenchecks. Obwohl jedem Journalisten klar ist, dass es „den“ Fakt gar nicht gibt, scheint sich diese Kategorie zu lohnen. Häufig führt z.B. ein Faktencheck des Spiegels zu einem anderen Ergebnis kommt als ein Faktenchek der Welt. Letztere treibt das unsinnige Format auf die Spitze, indem es tatsächlich einen CDU-Politiker die Möglichkeit bot, einen Faktencheck zu schreiben – über die CDU. Im Gesamteindruck hinterlässt diese Form des Journalismus kein glaubwürdiges Bild.
Viele Zeitungen haben im Netz bereits aufgegeben, über verlängerte Meldungen und Meinungsbeiträge hinaus, investigative Ursachenforschung zu betreiben. Die Lücke wird allenfalls mit vermeintlich neutralen Faktenaufzählungen geschlossen. Obwohl es sich bei den meisten Internetauftritten um rein anzeigenfinanzierte Produkte handelt, verspielen diese Medien damit ihre Glaubwürdigkeit. Langfristig wird ihnen dadurch auch ihre Diskursmacht abhanden kommen.