Wie eine zerstrittene Partei vor dem Untergang des Abendlandes warnt
|Am Ende dieser Woche möchte sich Bodo Ramelow zum ersten Linken Ministerpräsidenten in der wiedervereinigten Republik wählen lassen. Der Wille der Linken in Thüringen zur Macht ist groß: Gegen Widerstände eigener Ideologen wird die ehemalige DDR im Koalitionsvertrag als Unrechtsstaat anerkannt, trägt eine pragmatische, geradezu sozialdemokratische Handschrift und ehemalige Stasi-Mitarbeiter sollen nicht in einflussreiche Funktionen kommen. Dennoch bewegt die Wahl nicht nur wegen der knappen rot-rot-grünen Mehrheit von einer Stimme die Gemüter. Dabei wird im seltensten Fall angemerkt, dass die Koalition im merkelschen Sinne beinahe „alternativlos“ ist.
Seit der Landtagswahl haben die drei ranghöchsten Politiker der BRD ein gemeinsames Feuerwerk gegen rot-rot-grün abgefeuert. Bundespräsident Gauck fabulierte über sein ungutes Gefühl. Bundestagspräsident Lammert lud den Sänger Biermann in den Bundestag ein, um über die deutlich radikalere Linksfraktion im Bundestag herzuziehen. Und auch Bundeskanzlerin Merkel, sonst eher verlegen, klare Worte für ihre Politik zu finden, kritisierte die SPD für rot-rot-grün. Da all dies scheinbar noch nicht hilft und auch die CDU-Altministerpräsidenten Böhmer und Vogel darauf verweisen, dass rot-rot-grün nicht der Untergang des Abendlandes sei und man die Koalition mit Argumenten statt Populismus bekämpfen müsse, holte die konservative WELT zuletzt noch die Stasi-Keule heraus. Wie schon im Bundestagswahlkampf 2013 mit Peer Steinbrück konstruiert die WELT dabei einen Skandal, der in seiner Absurdität so peinlich ist, dass seriöse Medien in nicht einmal aufgreifen. Hinter der Story, dass Ramelow eine „Immobilienfirma“ mit einem „Ex-Stasi Oberst“ „führte“. Tatsächlich hat sich Ramelow ehrenamtlich an der Gesellschaft beteiligt, die den Neubau eines Gebäudes der parteieigenen Stiftung berät. Der Fall zeigt, dass die Linke auf Bundesebene tatsächlich noch ein Problem mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern hat. Mit der Situation in Thüringen hat das nichts zu tun.
Tatsächlich ist es gerade deswegen zu begrüßen, wenn Reformer wie Ramelor, die realistisch linke Positionen für Regierungspositionen opfern, politisch mehr Einfluß erhalten und somit auch in der Linkspartei mehr Macht aufbauen. Je mehr die Linke in das politische System eingebunden ist, desto schwieriger wird es für reaktionäre Kräfte in der Partei ihre rückwärtsgewandte und diktaturverklärenden Stellungen zu behaupten.
Für Thüringen stellt sich zudem die Frage, ob die Alternative, eine konservative geführte Koalition überhaupt bessere wäre. Ministerpräsidentin Lieberknecht vermochte bereits 2009 nicht alle Mitglieder ihrer eigenen Koalition überzeugen. Mit der Aussicht auf eine fünjährige Oppositionszeit verstrickt sich die Partei bereits jetzt in einen Machtkampf. Dieser führt sogar zu Spekulationen, dass die CDU im Falle einer großen Koalition die Wahl der eigenen Regierungschefin platzen lassen könnte. Außerdem kommen weitere absurde Informationen ans Tageslicht. Zum Beispiel scheint der Fraktionschef der Partei tote, ausgetretene und umgezogene Mitglieder in seinem Kreisverband weiter geführt zu haben, um innerparteilich seine Stellung zu stärken. Noch handelt es sich dabei erst einmal um eine „anonyme“ Anzeige und somit um das Niveau der Anschludigungen gegen Ramelow. Doch selbst wenn es sich um eine Schmutzaktion eines innerparteilichen Gegners handeln sollte, zeigen die Vorwürfe wie zerstritten und somit wohl auch regierungsunfähig die CDU in Thüringen ist.
Somit stellt sich die Frage, ob Thüringen von einer reformbereiten Linken, die eine gute Leistung erbringen muss, um sich nicht nachhaltig zu diskreditieren, nicht mehr profitieren kann als von einer nach 25 Regierungsjahren ausgebrannten und zerstrittenen CDU.