La volupté du billabong (von Hervé Claude)
|Zum dritten Mal in Folge veröffentlicht die französische Tageszeitung „Le Monde“ zusammen mit dem französischen Eisenbahnunternehmen SNCF im Sommer eine dreizehnhändige Krimireihe. Unter dem Titel „Les petits polars“ werden alle zwei Wochen knappe Kriminalnovellen mit einem Umfang von 48 Seiten angeboten. Das Format, das sich in erster Linie an Reisende richtet, erinnert an die mittlerweile nur noch in begrenztem Umfang erscheinenden deutschen Heftromane. Anders als dieses, noch immer mit einem gewissen Makel versehenes Genre, bemühen sich die „kleinen Krimis“ jedoch um eine hochwertige Aufmachung. Nicht nur die Autoren haben in der Regel bereits den ein oder anderen französischen Krimipreis gewonnen, auch die Zeichner der Geschichten haben sich bereits in anderen Arbeiten einen Namen gemacht. Angesichts dessen ist der Preis von 2,5€ pro Roman trotz des durch viele Illustrationen begrenzten Umfangs durchaus ordentlich.
In diesem Jahr wird die Reihe mit der Novelle „La volupté du billabong“ (übers. z.B. „Die Lust des Billabong“) eröffnet. Vier Touristen sind auf einer Tour durch einen Nationalpark im Norden Australiens. Die Nuklearlobbyistin Simone ist von Natur und Mitreisenden begeistert. Ihr Ehemann Steve ist vor allem von letzterem nicht so angetan. Auch Wanda, eine Russin, die sich während des Studium in Simone verliebt hat ohne dass diese sie jemals wahrgenommen hätte, gefällt das nicht so gut. Zuletzt buhlen der Ranger und Führer Jasper und der Fotograf und Greenpeace Aktivist Arthur um Simones Aufmerksamkeit – obwohl sie beide gegen das Atomkraftwerkprojekt Simones kämpfen. Doch am Ende der Reise ist Simone tot: Beim Baden im See ist sie von einem Krokodil und hat einem Kopfschuss getötet worden.
Auf wenig Platz wird hier eine große Geschichte erzählt. Die Erzählung steigt mit Simones Badeszene in die Handlung ein. Wanda informiert Simone darüber, dass der Billabong ungefährlich sei, gleich darauf wird Simone gefressen. In der Folge interviewt der Polizist Anthony Angos alle Teilnehmer. Dabei hat jeder zumindest ein theoretisches Motiv, um Simone zu töten. Da der Kopfschuss bis zur Hälfte der Novelle nicht bekannt ist, wird die Option eines unglücklichen Unfalls jedoch lange aufrecht gehalten.
Die Handlung ist durch die vielen Motive eigentlich überkonstruiert. Wähnt man zunächst Wanda als Schuldige, hat Jasper doch durch das seinen Stamm drohende Atomkraftwerk ebenfalls einen möglichen Groll gegen Simone. Doch auch ihr vernachlässigter Ehemann dem vor allem Simones Affäre mit Arthur nahe geht und eben dieser Umweltaktivist Arthur hätten sich emotional zu dieser Tat hinreißen lassen können.
Die Verhöre werden immer nur zur Hälfte direkt erzählt, schnell wird auf eine Rückblende umgeschaltet, die bestimmte Ereignisse aus der Sicht der gerade verhörten Person schildern. Dies erhöht die Spannung, obwohl die sehr comicartigen beziehungsweise jugendbuchartigen Illustrationen oft bereits wichtige Elemente der Rückblende zeigen.
Bei den kurzweiligen aber langen Verhören wächst nicht nur das Staunen über die vielen glaubwürdigen Motive, sondern auch darüber wie der Autor auf dem kurzen Platz die Handlung auflösen möchte. Doch dann beendet Claude die Novelle mit der sehr überzeugten Erzählung wie der Streit zweier eifersüchtiger Männer zu einer tödlichen Situation für die begehrte Frau führen kann. Die auf diese Art bewegende Geschichte um die Gefahren von Eifersucht und australischer Nationalparks ist ein überzeugender Start für die dritte Staffel der „kleinen Krimis“.