Mindestlohn für Praktikanten – die Große Koalition zeigt Regulierungsmut
|SPD und die Union verhandeln noch darüber, ob es überhaupt einen flächendeckenden Mindestlohn geben wird. Eine Einigung scheint sich aber bereits abzuzeichnen: Wer seine Ausbildung abgeschlossen hat, soll in einem Praktikum in Zukunft ebenfalls den Mindestlohn erhalten. Ausgenommen sind nur Schüler und Studenten.
Das erweckt zunächst den Eindruck einer halbgaren Lösung: Warum sollen Schüler und Studenten weiterhin ausgebeutet werden? Die Antwort liegt auf der Hand: In beiden Fällen schreiben Schule und Universität Pflichtpraktika aus. Dann sind alle Ausbildungsteilnehmer dazu verpflichtet, ein Praktikum aufzutreiben. Das ist selbst mit der Bereitschaft, ohne Bezahlung zu arbeiten, mitunter kompliziert. Müssten nun alle Anbieter den Mindestlohn zahlen, würden wohl vor allem Praktika-Interessierte mit einer abgeschlossenen Ausbildung zum Zug kommen.
Anders bedroht die vorgeschlagene Regelung natürlich besagte Pratkika-Interessierte mit einer abgeschlossenen Ausbildung. Denn sie sind zwar besser ausgebildet, aber deutlich teurer als ein Student oder ein Schüler. Sollte die Regelung durchgesetzt werden, könnte man in einigen Monaten hören, dass Studentinnen nach ihrem Abschluss erst einmal keine Stelle erhalten – das Einsteigerpraktikum wurde durch eine Trainee-Stelle ersetzt, die schwerer zu bekommen ist und gleich zwei Jahre währt.
Nichtsdestotrotz ist die Verlautbarung aus den Verhandlungskreisen gut und wichtig. Denn erstens sagt sie deutlich, dass jemand mit einer abgeschlossenen Ausbildung auch (fast anständig) bezahlt werden muss. Zweitens wird diese Regelung auch auf den öffentlichen Dienst zutreffen, der bisher häufig gar kein Geld an seine Praktikanten gezahlt hat. Und zuletzt zeigen die Planungen, dass die Große Koalition Regulierungsmut und -anspruch mit sich bringen wird. Das steht im krassen Gegensatz zu vier Jahren schwarz-gelb, in denen über Probleme vielleicht geredet wurde, sie aber meist ausgesessen wurden.
Leider wurde der Praktikantenmindestlohn im Wahlkampf kaum diskutiert. Es ist schade, dass sich offensichtlich nicht einmal die SPD einer Diskussion stellen wollte. Denn dann wären die oben genannten Gegenargumente in der Öffentlichkeit besprochen worden. So wird die Regel einfach in Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, ohne dass darüber viel gesprochen wird.
Ein aktiverer Ansatz bringt natürlich nicht immer die besseren Ergebnisse mit sich. Trotzdem würde der Stil, der sich durch die Mindestlohnentscheidung andeutet der deutschen Politik gut tun. Statt der Passivität der vergangenen vier Jahre könnte es nun wieder Ansätze und Reformen geben, die für Diskussionen sorgen und die Politik damit interessanter und besser werden lassen.