Der geniale Seiteneinsteiger?
|Mitte der vergangenen Woche titelte Spiegel Online eine Liste eines richtig gute Kabinetts. Alle Genannten waren Seiteneinsteiger, die enorm viel Fachkompetenz aufweisen. Dieser Beitrag steht nicht allein, regelmäßig publizieren Medien vermeintlich geniale Seiteneinsteigerkabinette. Dabei nähren diese Beiträge die immer stärkere Politikverdrossenheit im Land. Denn sie suggerieren, dass Politik von vielen gut gemacht werden kann – außer von Politikern.
Dabei gibt es durchaus Seiteneinsteiger in der Politik. Aber die wenigsten von ihnen bleiben lange. Manchmal möchten sie nur rasch wieder in ihren Beruf. Häufig aber scheitern sie aber auch an dem politischen System oder gar an sich selbst. Susanne Gaschke in Kiel wäre ein Beispiel für letzteres, Horst Köhler für ersteres. Genau so kann es aber vorkommen, dass Seiteneinsteiger schlicht nicht gewählt werden, geschehen zum Beispiel mit Michael Naumann 2008 in Hamburg.
Dabei ist es wichtig, dass auch Seiteneinsteiger demokratisch legitimiert werden. Eine Expertenregierung kann schließlich nicht für sich in Anspruch nehmen, die Ziele des Volkes zu vertreten. Oft geschieht aber genau das nicht.
Viele Seiteneinsteiger werden mit der Zeit aber auch zu Fachpolitikern. Karl Lauterbach ist ein gutes Beispiel dafür. Bis 2005 war er profilierter Mediziner, dann entschied er sich für die SPD Gesundheitspolitik zu machen. Jetzt wird er ganz selbstverständlich als Fachpolitikern bezeichnet. Fachpolitiker wie ihn haben alle Parteien, sie alle haben mindestens so viel Kompetenz wie die vorgeschlagenen Seiteneinsteiger.
Medien, die ihren demokratischen Auftrag ernst nehmen, würden häufiger auf die Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern in der zweiten Reihe verweisen. Die hätten – mit dem notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung – durchaus die Chance in die erste Rede vorzurücken. Doch da sie mit ihrer inhaltlichen Arbeit von den Medien ignoriert werden, sind sie und ihre Arbeit den meisten nicht bekannt.