Hamster Drame (Sale Bête Band 1 – von Krassinsky und Mazaurette)
|Die „Fabrik“ verspricht ihren Kunden perfekte Haustiere. Doch nach einem technischen Defekt erstellt die Fabrik eine Reihe von Monstern mit grausamen Verhalten, die nur noch entfernt an Haustiere erinnern. Und so erhält Amandarine keinen perfekten Hamster, sondern eine relativ eklige Mischung aus Hamster und Ratte, die zudem auch noch ein wenig sprechen kann. Das Wesen wird auf den ungünstigen Namen „Bestiole“ getauft. Die Streiche des Hamsters sind eklig, aber größtenteils harmlos. Mal pinkelt er seiner Herrin ins Müsli, meistens aber vertauscht er den Inhalt von Zahnpastatuben. Doch die Familie nutzt die Verschlagenheit Bestioles, um auf ihn ihre eigenen Fehler zu projizieren. Als Bestiole ein Feuer legt, nutzt der Familienvater dieses, um all die Dinge, die er an seinen Töchtern hasst, zu verbrennen. Gleich danach schiebt der Bestiole in ein Tierheim ab. Nur dank der Hilfe seiner älteren Tochter Elizabelle gelingt Bestiole und anderen Monstern die Flucht. Gemeinsam planen sie, den französischen Präsidenten zu erpressen und grausame Forderungen durchzusetzen. Ihr Einbruch in den Elysée-Palast gelingt sogar, doch die Forderungen der Monster sind bereits die offizielle Politik des Präsidenten. Bestiole verrät daraufhin kurzerhand seine Freund, um Minister für Tierfragen des Präsidenten zu werden. Rasch wird ihm jedoch klar, dass er von dem skrupellosen Politiker lediglich ausgenutzt wird. Daher flieht er und kehrt zu seiner Familie zurück. Dort wird er unter der Bedingung, keinen Ärger mehr zu verursachen wieder aufgenommen und findet am Ende heraus, dass die ebenfalls aus der Fabrik stammende, perfekte Katze der Familie auch sprechen kann.
„Hamster Drame“ ist der Auftakt einer Reihe, die sich um den genetisch veränderten Hamster Bestiole dreht. Der Auftaktband führt die Hauptcharaktere sowie das Konzept der Serie ein.
Auf den ersten Blick ist die Geschichte eine deutliche Kritik an genetischen Experimenten an Tieren sowie dem Wunsch nach dem perfekten Haustier. Den dieser Wunsch führt ja nicht ausschließlich zu übertriebenen genetischen Experimenten. Auch bei Haustierzüchtungen wird schließlich auf das Wissen über Gene zurückgegriffen, um das vermeintlich ideale Haustier zu erschaffen. In „Hamster Drame“ wird diese Sucht unserer Gesellschaft auf äußerst unterhaltsame Art und Weise karikiert. Besonders gelungen ist dabei die Hauskatze Clarky. Sie stammt ebenfalls aus der Fabrik, jedoch aus einer gelungenen Produktionsreihe. Sie wird von der Familie als das perfekte Haustier angesehen. In dem Comic-Band wird allerdings immer wieder deutlich, dass auch sie ihre äußerst grausamen Seiten hat.
Neben diesem Hauptthema weist das Comic-Buch trotz der actionreichen Handlung viele weitere interessante Themen auf. Zum Beispiel wirkt die Familie von Amandarine und Elizabelle äußerst traditionell. Doch findet sich hier der Vater in der Rolle der Hausfrau wieder. Er kocht, er putzt, er schmeißt den Haushalt. Und sein Privatleben besteht ausschließlich aus dem Tratschen mit anderen Heimeltern. Die Mutter der beiden hingegen steckt die meiste Zeit ihrer Auftritte hinter der Tageszeitung „Le Monde“ und greift lediglich ein, wenn die Lage wirklich außer Kontrolle gerät. Diese, gesellschaftlich wohl noch immer ungewöhnliche Rollenverteilung, wirkt hier so normal und natürlich, dass sie einem erst beim zweiten Mal Lesen überhaupt auffällt.
Äußerst gelungen ist zudem wie jedes Familienmitglied Bestiole für eigene Verfehlungen beschuldigt. Das beginnt bei der klassischen Ausrede „Der Hamster hat meine Hausaufgaben gefressen“, reicht aber bis zu den zerstörten Unterhosen Amandines, die der Vater schlicht als zu kurz empfand.
Ein weiteres Highlight ist auf jeden Fall der französische Präsident in diesem Comic-Buch. Eine Gruppe von Bestien um Bestiole hat sich wirklich Mühe gegeben, böse Forderungen aufzustellen. Alle hat der Präsident bereits im Vorfeld verfolgt und umgesetzt. Skrupellos lässt er danach alle Bestien töten, lediglich Bestiole wird mit Keksen ruhig gestellt. Diese Kritik an der politischen Klasse mag überzogen sein. Gelungen ist jedoch wie jemand mit großen Ambitionen (auch wenn sie nicht gut sein mögen), hier von einem Politiker relativ leicht kalt gestellt wird.
Außerdem strotzt der Band vor Detailreichtum. So findet sich in dem Schlafzimmer Amandines zwischen vielen Kosmetik-Büchern verstörenderweise auch Hitler „Mein Kampf“, während Bestiole und ein genetisch mutierter Monster-Hase sich im Tierheim eine Art Prophetenwettstreit liefern. Solche Szenen machen die Lektüre des ersten Bandes von „Sale Bête“ zu einem wahren Vergnügen.
Die einzige Schwäche der Geschichte ist, dass sie am Ende etwas in der Luft schwebt. Man hat das Gefühl, nach Bestioles Rückkehr könnte es jetzt wirklich los gehen und dann erlebt man doch lediglich einen Cliffhanger, in dem sich herausstellt, dass Clarky sprechen kann. Das ist nicht wirklich überraschend, denn die Katze hat zuvor bereits Zeichen von Intelligenz gezeigt. Es ist aber ein plötzliches, überraschendes Ende, das dennoch keinen wirklichen Höhepunkt darstellt. Es schließt sich dem noch eine kleine Bonus-Geschichte an, in der Bestiole versucht dem Vater beim Shoppen zu helfen und dann sich und ihn ins Gefängnis bringt. Diese Gutmütigkeit Besitoles mag jedoch nicht wirklich zu seinem bösen Charakter passen.
Bis zu diesen letzten Seiten unterhält „Hamster Drame“ aber sehr gut mit einer detailreichen, pfiffigen und zudem noch nachdenklichen Handlung. Mit einem etwas besseren Ende, wäre dieser Comic-Band perfekt gewesen. So wird man schlicht sehr, sehr gut unterhalten.