Hannah Arendt

Margarethe von Trottas Spielfilm über Hannah Arendt umfasst einen relativ kurzen Zeitraum. Der Zuschauer begleitet Arendt zum Prozess gegen Eichmann in Israel und erlebt danach die Entstehung, die Veröffentlichung und den Skandal ihrer Artikelserie sowie des Buches über den Prozess. Rückblenden werden ausschließlich dafür genutzt, Arendts Verhältnis zu Heidegger zu zeigen. Andere biographische Details erfährt man, genau sie wie Arendts Ansichten, über die vielen Dialoge des Films.

Dabei ist es eine große Stärke, dass auf der Leinwand immer in der „angebrachten“ Sprache gesprochen wird. Hannah Arendt ist während der Zeit des Nationalsozialismus emigriert. In New York spricht sie mit Amerikanern selbstverständlich Englisch, auch wenn dies mit einem starken deutschen Dialekt versehen ist. Mit anderen deutschen Exilanten verfällt Arendt hingegen schnell ins Deutsche. Diese Konstruktion, die auf der Leinwand so auch abgebildet wird, ist zunächst ungewohnt. Nachdem man sich in diesen Wechsel aber hineingefunden hat, wirkt es ungemein authentisch.

Der Start des Films hingegen ist äußerst schwach. Wohl um die Dramatik des Films von Anfang an hoch zu halten, erlebt der Zuschauer wie Eichmann in Argentinien vom israelischen Geheimdienst entführt wird. Diese Szene wirkt amateurhaft, das Gekreische Eichmanns peinlich statt überzeugend.

Von da an überzeugt der Film hingegen zunehmend. Ab der ersten Diskussion von den Freunden der Denkerin in deren Wohnung ist man von dem Sog des Films eingenommen. Dabei werden die ersten Fronten hinsichtlich der Einstellung zu Israel bereits geklärt.

Der Prozess selbst wird nicht dargestellt. Hier greift die Regisseurin auf Originalbilder zurück. Dies wirkt zunächst ähnlich merkwürdig, wie die Entscheidung Arendt auch im Film Englisch sprechen zu lassen. Die Verwunderung wird jedoch hauptsächlich durch den Wechsel vom farbigen zum schwarz-weißen Bild ausgelöst. Durch die Wahl der originalen Filmszenen, die sich wunderbar in den Spielfilm einbinden lassen, erinnert von Trotta nicht nur an den Realitätsbezugs (und Anspruch) des Films. Dies ist auch die einzige Stelle, wo deutlich gemacht wird, dass auch der originale Eichmann eine Rolle gespielt hat. Schließlich ist die von Arendt diagnostizierte geistige Schlichtheit Eichmanns heute nach Erkenntnissen über deutliche antisemitische Aussagen (die meist leider nicht als Zeugnis geistiger Schlichtheit gewertet werden) stark umstritten.

Darauf geht der Film nicht ein. Dessen Sympathien liegen eindeutig mit Arendt. Sie wird während der Schmutzkampagne ihrer Kritiker, in der sogar ein fiktiver Besuch des israelischen Geheimdienstes mit eingebunden wird, gutmütig begleitet. Viel Aufmerksamkeit erhalten ihre Freunde, die sie verteidigen. Unverständlich wirken diejenigen die sie angreifen. Das muss wohl so sein, ein Spielfilm ohne konkrete Position wäre langweilig. Andererseits ist diese Eindeutigkeit vielleicht nicht immer gerechtfertigt.

Besonders stark ist der Film, wenn es darum geht Arendts Denkprozess zu zeigen. Nicht nur das Rauchen wird hier als Moment des Nachdenkens gezeigt, auch das Liegen und Nichtstun außer den Geist schweifen lassen. In einer herrlichen Szene ruft Arendts Verleger beim New Yorker an und fragt, ob sie gerade an dem ersten Artikel arbeiten würde. Arendt, die gerade gelegen und nachgedacht hat, antwortet wie aus der Pistole geschossen mit Ja. Zunächst lacht man über die Aussage, bis einem klar wird: Das war gerade ihre Arbeit.

Die Fixierung auf Arendt sorgt für viele überzeugende Momente. Leider gehören die Rückblenden mit Heidegger nicht dazu. Vor allem Heidegger wirkt da eher albern. Sehr gelungen sind aber die Seminare Arendts, die im Film gezeigt werden, sowie ihre Auftritte an den Krankenbetten ihres Mannes sowie ihres alten Freundes Kurt Blumenfeld.

Hannah Arendt ist ein sehr guter, authentischer Film über die vielleicht ereignisreichste Zeit der Denkerin. Durch die nötige Fixierung auf die Hauptperson stehen die anderen Charaktere des Films deutlich im Hintergrund und ihre Thesen werden nicht kritisch reflektiert. Andererseits sorgt das Talent der Darstellerin Sukowa für viele bewegende Szenen. Die Darstellung des Denkens im Film sowie die Zeit, die für Diskussionen eingeräumt wird, suchen ihresgleichen und geben dem Film eine besondere Note.

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