Der Netzeintritt des Kandidaten
|Peer Steinbrück hat sich gestern eine Stunde Zeit genommen, um im Rahmen des SPD-Bürgerdialogs Fragen in einem Online-Chat zu beantworten. Das darf man sich keinesfalls so vorstellen, dass ganz viele Bürger den SPD-Kanzlerkandidaten mit ihren Fragen bombardierten und Steinbrück gleichzeitig antwortete. Für Parteien laufen diese Online-Chats so ab: Die Fragen werden gestellt, der Kandidat sucht sich einige daraus aus. Letztlich ist es also nichts anderes als das monatlich im Vorwärts erscheinende Interview mit der Generalsekretärin Nahles, bei dem die Fragen von den Lesern der Zeitung gestellt werden.
Dennoch wird dieser „Online-Chat“ nun von verschiedenen Medien aufgenommen. Das ist schon mal positiv, da die Versuche der deutschen Parteien, mit dem Bürger in Kontakt zu treten, sonst von den Massenmedien schlicht ignoriert werden. Der Aufhänger des gestrigen Ereignisses war, dass Peer Steinbrück sich ins Netz gewagt hat und nichts schief gegangen ist. Das scheint für einige Journalisten eine wahre Überraschung zu sein. Schließlich hatten sie in den letzten Wochen süffisant darauf hingewiesen, dass Peer Steinbrück ein eindeutiger Offline-Kandidat sei, was heutzutage gefährlich sei.
Dabei fragt man sich gelegentlich, ob selbst Online-Journalisten das Internet verstanden haben. So verwendet der Spiegel Online-Artikel gleich einen ganzen Absatz, um das einzige kritische Element des Online-Chats detailliert zu beschreiben: Steinbrücks „guter Geist“, der seine Antworten eintippte, hatte den Münchener-Oberbürgermeister „Udhe“ anstatt „Ude“ geschrieben. Sollte das der einzige Fehler gewesen sein, hätte Deutschlands führende Online-Nachrichtenseite vielleicht eher mal loben sollen, wie fehlerfrei der Kandidat zudem durch den Chat gelangt sei. Schließlich ist innerhalb einer Stunde nun wirklich nur wenig Zeit, um die Antworten noch zu redigieren. Aber das ist dem Online-Journalisten, der wohl noch glücklich darüber sein kann, über eine Schlussredaktion zu verfügen, nicht eingefallen.