Das Steuer umreißen
|Am Wochenende findet der grüne Bundesparteitag in Kiel statt. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Partei stehen im Mittelpunkt. Die Botschaft ist eindeutig: Die Grünen sind keine Partei mit nur einem Thema wie die FDP und die Piraten. Stattdessen arbeitet man daran, sich in allen Politikfeldern Kompetenzen zu erarbeiten. Das ist an sich eine gute Idee. Die Grünen möchten sicher nie wieder vom Wetter sprechen, während die Welt von Deutschlan redet. Außerdem ist die Überlegung richtig, dass eine 20%-Partei sich langfristig nicht nur auf ein Thema stützen kann. Das zeigen ja schon die Umfrageverluste der Partei im zweiten Halbjahr dieses Jahres, in dem Umweltthemen immer mehr in den Hintergrund rückten. Gleichzeitig ist diese Strategie jedoch auch gefährlich.
Denn eine thematische Breite führt auch dazu, dass die „Kernkompetenz“ weniger stark wahrgenommen wird. Nicht umsonst wirken die CDU und die SPD an einigen Punkten beliebig. Sie beschäftigen sich mit allem und nichts. Eine Partei mit einem Thema hat es leichter, dieses zu vermitteln.
Ein Abarbeiten anderer Themen vergrößert zudem das Risiko, sich es mit Wählergruppen zu verscherzen. Denn wenn man sich über Umweltfragen einigen kann, muss das noch nicht heißen, dass man in der Steuerpolitik auf einer Linie liegt. Das zeigen auch Berichte über die Versuche der Grünen, die derzeitige Steuerpolitik umzudrehen und wieder mehr Steuern einzutreiben. Damit kann man Wähler verschrecken.
Außerdem dürfte es ein Irrglaube sein, dass die FDP derzeit in Umfragen unter der fünf-Prozent-Hürde liegt, weil sie nur ein Thema wirklich besetzt hat. Der wahre Fehler der FDP ist und war, dass sie ihre Forderungen bezüglich der Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht in praktische Politik umsetzen konnte. Der Unterschied zwischen Programm und Tat bei der FDP ist derzeit enorm groß – selbst wenn man die letzten Steuersenkungsversprechen mit einbezieht.
Beispielhaft für die „breite“ Aufstellung der Grünen ist auch das Interview mit Fraktionschef Trittin zum Bundesparteitag. Trittin, so munkeln die Medien, möchte gerne alleiniger Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl 2013 werden. Deswegen tritt er vermehrt als Finanzpolitiker auf und ordnet auch schon einmal an, Grüne Forderungen nach ihrer Finanzierbarkeit zu überprüfen. Das heute auf Welt Online erschienene Interview deckt viele Themen ab. Nur zur Umweltpolitik wird nur eine Frage gestellt: Bereut Trittin den schwarz-gelben Atomausstieg?
Nun stellen Medien natürlich die Fragen, die die Leser interessieren. Und über die Umwelt (das Wetter) reden heute nun einmal so wenige wie seit Jahren nicht mehr. Aber trotz des Wetter-Traumas wäre es eigentlich selbstverständlich für die Grünen, bei den derzeitigen Problemen auch eine Verbindung zur Nachhaltigkeit und dem Umgang mit der Umwelt herzustellen. Das versucht Trittin aber gar nicht erst.
Das kann gefährlich werden für die Partei. Denn sie wird von ihnen Stammwählern wegen des Umweltaspekts gewählt. Es wird daher interessant, welche Signale von dem diesjährigen Bundesparteitag ausgehen und welche Auswirkungen sie haben. Daran könnte abzulesen sein, ob grüne Stammwähler bereit dafür sind, Umweltaspekte hinter Steuerfragen zurückzustellen.