Le Voyage d’Hector ou la recherche du bonheur (von François Lelord)
|Hector ist ein junger, talentierter Psychater, der eigentlich alles hat, um glücklich zu sein. Er hat einen tollen Job, eine erfolgreiche Freundin und ein sicheres Leben. Doch die vielen unglücklichen Menschen in seiner Praxis machen ihn nachdenklich. Er fragt sich, ob es wohl eine Formel für Glück gibt. Er selbst spürt, dass er unglücklich ist, weil er immer nur arbeitet und keinen Urlaub macht. Also nimmt er sich Urlaub und zieht in die Welt, um eine Formel für Glück zu finden. Seine Ergebnisse möchte er später einem bekannten Professor für Glück vorlegen und sie mit ihm diskutieren…
„Le Voyage d’Hector“ ist märchenhaft erzählt. Der studierte Hector wird immer wieder als sehr intelligent beschrieben, bleibt aber meist in einer naiven Beobachterrolle. Gerade durch diese Erzählweise ist der Roman sehr leicht zu verstehen. Die kompliziertesten Worte sind in der Reclam-Ausgabe ausreichend erklärt, was nicht erklärt ist, kann man sich meist erschließen.
Hector reist von Frankreich nach China, Afrika und in die Vereinigten Staaten. In jedem Land macht er eine Reihe von Erfahrungen, die er in Lektionen festhält. Diese Lektionen werden im Verlauf des Romans immer wieder rekapituliert. Der Reclam-Kommentar merkt daher ganz richtig an, dass der Roman in gewisser Weise auch ein Ratgeber ist. Nur verpackt er die Tipps halt in eine nette Geschichte.
Denn Lelord bringt durchaus einige spannende Elemente in die Geschichte ein. In China verliebt sich Hector relativ schnell in eine chinesische Prostituierte. Im Verlauf des Romans muss er mit sich klären, ob es sich dabei um eine Schwärmerei oder um tatsächliche Liebe handelte. In Afrika wird er nicht nur mit enormer Armut konfrontiert, sondern auch entführt. Und auf dem Flug in die Vereinigten Staaten kommt er mit einer Krebskranken in Kontakt, die gerade einen Anfall hat. Solche Ereignisse, die immer wieder eingebaut werden, sorgen für etwas Spannung neben der Glückssuche.
Hectors große Stärke in seinem Beruf ist, dass er sowohl zuhören kann als auch Menschen wirklich mag. Sein Blickwinkel ist tatsächlich besonders. Vorurteilsfrei und distanziert geht er an alles ran und macht sich darüber Gedanken. Werten tut er nur sehr selten und wenn dann sehr abgeklärt. So erlebt man verschiedenlich Verbrechen, Wirtschaftsdenken und die negativen Auswirkungen der Globalisierung. Sie alle scheinen Hector zunächst völlig fremd, bis er dann beginnt sie ein wenig einzuordnen. Das führt dann zu uhrigen Lektionen wie der zwölften: „Le bonheur, c’est plus difficile dans un pays dirigé par de mauvais personne.“ Zu dieser Erkenntnis kommt er, nachdem er in Afrika sieht, wie Menschen hungern, weil die Machthaber schlecht regieren und korrupt sind.
Der Roman lebt aber auch von den vielen Nebenfiguren. Da ist eine Wahrsagerin, die psychatrische Hilfe braucht, weil sie nicht mehr wahrsagen kann. Es gibt einen chinesischen Mönch und vor allem die Freunde Hectors, die in der ganzen Welt verteilt sind. Sie sind entweder knallharte Manager, Entwicklungshelfer oder Wissenschaftler. Aber auch hier wirkt es bei jedem, als setze sich Hector zum ersten Mal mit ihren Tätigkeiten auseinander. Dieser unbedarfte Blick auf Bekannte Tätigkeiten und die „Erfüllung“, die solche Tätigkeiten mit sich bringen, ist sehr erfrischend und macht den Roman interessant.
Zum Schluss bringt Lelord mithilfe des „Glücksprofessors“ noch ein paar wissenschaftliche Erkenntnisse über Glücksgefühle mit in den Roman. Aber auch die Passagen über chemische Reaktionen im Gehirn bleiben überraschend verständlich. Außerdem gelangt Hector so an das schöne (wenn auch erwartete) Fazit, dass zum glücklich sein jeder ein paar seiner Lektionen braucht. Aber jeder braucht halt andere und bei weitem nicht alle.
„Le Voyage d’Hector“ eignet sich gut, wenn man mit ordentlichen, aber nicht besonders guten Französischkenntnissen, mal einen längeren, guten Roman lesen möchte, der einen zudem trotz seiner einfachen Sprache etwas zum Nachdenken bringen soll.