Gerät bestimmt Format?
|Jahrhundertelang wurden Zeitungen gedruckt. Das ist praktisch, viele Verlage waren eng mit Druckereien verbunden, besaßen sie sogar. Natürlich hat das Format Grenzen. Nach dem Entschluss, alle Bilder in Farbe zu drucken, kann es sich eigentlich kaum weiterentwickeln. Änderungen sind nur noch durch Layout-Verändrungen möglich. Zeitungen verlieren heute in enormen Umfang Leser. Wem das in Deutschland schon schlimm vorkommt, der wird das Tempo in Amerika noch beachtlicher finden. Dort hat das Internet viele Zeitungen schon überholt, große Städte wie Denver haben keine Tageszeitung mehr und Städte wie San Francisco fürchten um ihre. Die Zeit berichtet nun über eine Studie, die untersucht hat, wieviel Kontrolle die Verlage eigentlich noch über den Weg zu ihren Lesern haben. Früher war das klar: Man finanzierte sich hauptsächlich durch Abonnenten, für die man eine eigene Vertriebsstruktur hat, und verdiente sich am Kiosk etwas hinzu. Heute, so zeigt die Zeit, sind die Verlage abhängig, von Google, Facebook und der Hardware.
Das Internet stellt also nicht nur viel mehr Anforderungen an den Inhalt, es bringt auch nicht nur weniger ein, sondern es sorgt auch dafür, dass die Verlage von anderen Konzernen abhängig sind. Dass viele Leser über Google auf Inhalte stoßen, dürfte klar sein. Aber das sind Recherche-Anfragen, Zufälle. Anders sieht es bei Google News aus, einer Seite bei der man sich Neuigkeiten verschiedener Online-Zeitungen ansehen kann – freilich ohne dass die daran verdienen. Kontakte über soziale Netzwerke sind ebenfalls Zufälle. Aber sie sind durch Freunde gelenkt. Wer bei Facebook einen Spiegel-Artikel verlinkt, verbreitet ihn weiter. Das ist gut für Spiegel Online. Es ist aber vor allem gut für Facebook, denn die Plattform wird ja dadurch attraktiv, dass man feststellt, was Bekannte lesen und denken. Außerdem finanziert sich auch die Seite über die Werbung, die auf ihr angeboten wird. Außerdem wird ein Teil des Artikels sofort von Facebook angezeigt. Facebook profitiert also in Teilen von Inhalten, die gar nicht von dem Konzern hergestellt wurden.
Verleger wie Ruport Murdoch versuchen sich daher auch ihre Inhalte durch Google und Co bezahlen zu lassen und scheitern kläglich. Zu mächtig sind bereits die Leserströme, die von der Suchmaschine gelenkt werden.
Am interessantesten an dem Zeit-Artikel ist aber der Hinweis, dass Verlage zunehmend auch von der Hardware abhängig sind. Die Zeitungen konnte man selbst drucken, ins Internet kann jeder vorstoßen – aber auf das Ipad? Oder auf ein Smartphone?
Mit der „Daily“ einer reinen Ipad-Zeitung aus dem Murdoch-Konzern gibt es bereits ein Beispiel von Hardware-Journalismus. Hier eine kleine Einführung:
Diese Zeitung macht sich komplett abhängig von einer Hardware. Apple verdient zudem an allen Verkäufen, wie bei jeder App, ca. 30 Prozent. Ist das noch unabhängige Berichterstattung garantiert, zum Beispiel über die Apple-Datenwut? Und für wen wird da eigentlich Journalismus gemacht, für die Inhalte und für das Format?
Denn abgesehen davon, dass weniger verdient wird, bedarf es auch einer Konzeption für die verschiedenen Lesegeräte. Ein Ipad handhabt sich aufgrund der Größe anders als ein Iphone. Viel Aufwand für weniger Gewinne.
Der Zeit-Artikel zitiert die Forscher, die behaupten Arbeitsplätze seien kaum in Gefahr. Wer früher in Newsrooms gearbeitet hätte, würde nun im Internet beschäftigt. Das mag wohl sein. Aber arbeiten die Journalisten noch an Inhalten? Recherchieren sie noch? Oder suchen sie „nur “ nach den neuesten Inhalten und sind eher Webdesigner als Journalisten?
2009 wechselte der Seattle Post-Intelligencer komplett ins Internet. Von 140 Leuten blieben 25. Qualitätssicherung dürfte auf die Art schwer möglich sein. Auch in Zukunft wird es Zeitungen geben, in welcher Form ist unklar. Die meisten Beispiele sterbender Zeitungen sind Lokalzeitungen, die die Qualitätsstandards nicht mehr aufrecht erhalten können und komplett ins Internet emigrieren. Zeitungen wird es immer geben. Aber auch die Großen müssen sich anpassen und sie scheinen zunehmend abhängiger zu werden. Bestimmte bisher das politische Profil des Verlages über was berichtet wird, könnte es sein, dass demnächst die Transporteure entscheiden können, was bei den Lesern ankommt. Und dann brauchen sich Apple, Facebook und Google auch keine Sorgen mehr über negative Berichterstattung über ihre Daten-Wut zu machen.